[Dieser Artikel ist für den Standort des Projekts unnötig kompliziert und wird überarbeitet.]
Der Begriff „Sinn“ ist ein reicher und bedeutender, und es wird mit diesem direkt auf eine Zweideutigkeit hingewiesen, die wir in diesem Artikel untersuchen wollen.
Wir haben Sinne für allerlei Wahrnehmungen, und wäre hier der Platz dafür, so könnten wir diese danach gruppieren, wie nahe oder ferne am physischen Erleben sie jeweils sind, denn das ist am Anschaulichsten. Wir kennen die fünf Sinne zum Wahrnehmen des Physischen als das Tasten, das Riechen, das Schmecken , das Hören und das Sehen. Wir nennen sie Tastsinn, Geruchssinn, Geschmackssinn, Gehörsinn und Sehsinn. Wir finden noch weitere Sinne die aufgezählt werden können, die aber weniger direkt damit zusammenhängen, wie das Physische wahrgenommen wird, wie etwa den Gleichgewichtssinn. Die anderen Sinne, den Gleigewichtssinn eingeschlossen, interessieren uns für diesen Artikel aber nicht, ausser einem, der nicht zu den insgesamt zwölf Wahrnehmungssinnen gehört, dem „Sinn“ im Sinne von: die Bedeutung und Bestimmung.
Physischer, weiterer und bestimmender Sinn
Wir unterscheiden drei Klassen an Sinnen. Die ersten beiden Klassen sind zusammen die zwölf Wahrnehmungssinne: erstens die physischen (Tasten, Riechen, Schmecken, Hören, Sehen), zweitens die weiteren (Gleichgewichtssin und sechs weitere), und drittens schliesslich den bestimmenden. Dem bestimmenden werden wir hier besondere Aufmerksamkeit schenken. Der bestimmende Sinn beschreibt den Zweck des Zustandes einer Handlung oder Sache.
Der Geist des Menschen braucht die Idee und den Begriff des Guten, und ein solcher findet sich im Materiellen nicht, nicht einmal im ausgeglichendsten Materialismus mit geringstmöglicher Naivität. Die Materie, und deren Wahrnehmung gibt uns keine Ethik, keine Moralität, kein Urteil und keine Werte. Der Materie sind gut und schlecht gleichgültig; in der Materie sind diese Begriffe sinnfrei. Von der Materie bekommen wir keine Wertvorstellungen, keine Idee davon, was mehr als nur gut scheint, sondern tatsächlich gut ist. Hat der Mensch keinen brauchbaren Begriff vom Guten, so fehlt ihm etwas äusserst Grundlegendes, wie gleich zu sehen ist. Der Geist des Menschen beginnt ohne den Begriff des Guten bald „hungrig“ zu werden, und der Mensch wird bei solch andauerndem Hunger seines Geistes aus guten Gründen bald beklommen und unruhig.
Die uns vom Physischen unmittelbare Wahrnehmungen gebenden, weltlichen Sinne sind für sich genommen also wertfrei. Die physische Wahrnehmung sagt uns nichts zur Güte ihres Gegenstandes – wir fügen das hinzu, als Menschen. Das Hinzufügen mag bereits bei der Wahrnehmung geschehen, aber dann auch nur, weil der Geist des Menschen beim Wahrnehmen beteiligt ist. Erst wir Menschen, durch die Beteiligung unserers Geistes, geben dem Gegenstand einen Wert. Wir geben ihm einen „bestimmenden Sinn“, wir fügen einen solchen hinzu; wir geben dem Gegenstand etwas von uns, von unserem eigenen Guten, von unserem eigenen Geist.
Der Gott- und Geistgläubige, dann der Geistgläubige, und schliesslich der Geistungläubige
Nehmen wir uns drei Menschen als Beispiel, wobei der erste an das Göttliche und das Geistige glaubt, der zweite nicht an das Göttliche aber an das Geistige, und einen dritten, der weder an das Göttliche noch an das Geistige glaubt. Der Dritte mag „der Ungläubige“ genannt werden, aber das ist er etwas strenger genommen überhaupt nicht, denn jeder Mensch ist für seine Weltanschauung gläubig – die Gott- und Geistgläubigen sind darin tendenziell nur etwas ehrlicher. So nennen wir den Ungläubigen lieber den Geistungläubigen. Den Geistungläubigen teilen wir dann weiter in den machiavellistischen und den progressivistischen.
Der erste in unseren Beispielen, der an das Göttliche und so auch an das Geistige glaubt (wenn er konsequent denkt), der in sich ein Erleben hat, das ihm von einem Göttlichem erzählt das ausserhalb von ihm ist, dieser Mensch erlebt das Gute, und er hat dadurch weit mehr als nur einen einfachen Begriff davon. Er hat etwas, an das er sich halten kann, das Geistig ist, das nicht er ist.
Der zweite Mensch aber, der zwar nicht an das Göttliche aber doch immerhin noch an (seinen eigenen) Geist glaubt (er mag es „Seele“ nennen), oder einen solchen zumindest nicht offen verneint, der hat bereits eine gewisse Schwierigkeit darin, den Begriff des Guten in sich aufrechtzuhalten. Einem solchen Menschen ist der Begriff des Geistes an seine eigene Person, und wohl (weniger direkt) auch an den Menschen überhaupt, gekoppelt, und so ist ihm das Gute allein darin zu bestimmen, wie er es an seiner eigenen Person und wohl auch an seinen Mitmenschen finden und bemessen kann. Das Gute hat bei ihm noch ein „Sein“, aber es richtet sich bei dieser Gläubigkeit nach diesem Menschen. Dieser Mensch müsste eigentlich viel an der Welt zweifeln, da der Mensch weit davon entfernt ist, nur gut zu sein.
Viel schwieriger fällt es einem dritten Menschen das Gute zu bestimmen, der weder an das Göttliche noch an das Geistige glaubt. Ein solcher Mensch verneint nicht nur das Gute über ihm, er verneint auch das Gute im Menschen, worin er auch seine eigene Person einschliessen müsste. Das heisst nicht, dass er an die Stelle des nicht gesetzten Guten das Schlechte setzt, sondern, in den allermeisten Fällen, dass er gar nichts hinzusetzen vermag. Dieser Mensch ist, wenn er in seinem Denken konsequent ist, der „machiavellistische“ (nach dem Politologen Niccolo Machiavelli). Dieser Art von Mensch ist die Menschheit ein opportunistisches Geschlecht, und die Moralität lediglich ein Schein. Ein Schein, dem wir uns fügen, weil er, was wir unter solchen Vorstellungen Scheinmoralität nennen müssen, eine Zusammenarbeit zwischen zueinander unbekannten Menschen ermöglicht. Dem machiavellistischen Menschen ist die Scheinmoralität ein Werkzeug des Zusammenarbeitens, zu dem wir in einer Art Spieltheorie einander im Grunde zusammen kollektiv anlügen, aber alle wissen, dass alle wissen, dass es nur eine Lüge ist, und die Moralität nur ein Schein.
Der geistungläubige Mensch, der in der Logik seiner Weltanschauung etwas weniger konsequent ist als der machiavellistische Geistungläubige (dem die Moralität lediglich etwas Nützliches ist) und der das Gute will, der wird sich den Eindruck zurechtformen, dass er in einer Welt lebt, in der das Gute und das Schlechte verhandelbar sind, und es am Menschen liegt, in der Gesellschaft mit anderen zusammen etwas zu auszuhandeln, das zu ihm und zur Gesellschaft passt. Diesen Geistungläubigen nennen wir den progressivistischen Geistungläubigen, der gemeinsam mit anderen Menschen kontinuierlich seinen Willen auf die Entwicklung der Moralität anwenden muss, um sie nicht ersterben zu lassen. Der Mensch hat eine innere Moralität wie er einen Geist hat, und so müsste er mit dem Verneinen des Einen auch das Andere verneinen; denn wo sonst wenn nicht im Geiste kann die Moralität liegen? Das Gute wird so dem menschlichen Willen unterworfen, wie es auch für das Politische und allerlei andere kollektive Unternehmungen gilt, die auch dem Willen unterworfen werden. Die Aufgabe des Willens ist es in der Folge, geschmacklichen Vorzügen zu folgen, die dem Zeitgeist und dem Gemüt entsprechen. Es sind dem weniger konsequenten Geistungläubigen als Erstes häufig Gerechtigkeitsvorstellungen, an denen gesellschaftlich gearbeitet werden müsste. Dies z.B. um den Begriff der Kultur am Leben zu erhalten, oder was auch immer als Grund verwendet werden mag, im eigenen Tun einen bestimmenden Sinn zu finden. Je mehr Überdruss und je weniger reale Herausforderungen im Leben des Menschen vorhanden sind, desto dringlicher wird das Bedürfnis nach Sinn. Darauf beschränkt sich der Begriff des Guten in der Weltanschauung, die den Geist verneint: auf das gemeinsame Drehen und Schrauben daran, was für den Moment wohl das beste Gute sein könnte.
Was ist da wirklich vorhanden, in einer solchen Welt, in der das Gute durch den menschlichen Willen und die Tat konstruiert werden muss? An Moralität ist hier an sich nichts gegeben, denn eine Moralität, die nicht der Spielball von Meinungen ist, sondern objektiv existiert, bedingt etwas Geistiges an sich zu haben. Und weil doch hier das Verneinen geschieht, fällt alles wieder zurück auf den Willen. Aber selbst der Wille ist für eine solche Sache (den Erhalt des „Konstrukts des Guten“) wankelmütig, denn Menschen können mühelos Schlechtes wollen. Was da wirklich vorhanden ist, ist ein gaffender und klaffender Abgrund unter einem – das heisst: nichts.
Die Sinnlosigkeit der Geistlosigkeit
Weiter oben sagten wir: es fehle einem Menschen ohne brauchbaren Begriff des Guten etwas Grundlegendes, und dass ein solcher Mensch hungrig würde, weil sein Geist entbehren muss. Der Geist des Einzelnen braucht das Geistige, selbst wenn der Geist nichts vom Geistigen wissen will. Der Hungrige braucht auch das Essen, selbst wenn er nicht essen will. Der Mensch ohne Auge für das Geistige hat nicht nur nichts über sich, er hat auch nichts unter sich, und ihm droht gar, nichts in sich zu haben (ein Geist kann „verhungern“). Gibt es keinen „Grund“, so gibt es auch keinen Sinn. Man mag hier einwenden, dass der Sinn dann vom einzelnen Menschen geschaffen werden müsse, aber der Mensch, der nicht einmal seinen eigenen Geist bejahen kann, ist dazu nie imstande, ohne dabei das Gefühl haben zu müssen, sich nur anzulügen.
Mit dem bestimmenden Sinn kommt notwendigerweise der Geist, umgekehrt fehlt der bestimmende Sinn, wenn der Geist fehlt. Ohne das Eine ist der Mensch auch ohne das Andere, das schliesst sich aus der „Natur des Übrigen“: aus dem Materialismus (der, wie weiter oben kurz gezeigt, notwendigerweise wertfrei ist). Ist der Geist weg, ist der Materialismus übrig, und der Materialismus gibt uns keine Werte, und so auch keine Orientierung dazu, was gut sei, und was nicht gut sei.
Der sich gesellschaftlich aktiv für die ihm am besten scheinenden Gerechtigkeitsvorstellungen engagierende Mensch, wird sich in seinem Tun vielleicht einreden, darin einen bestimmenden Sinn vorhanden zu haben, während er bei näherer Reflexion bald merken würde, wie er lediglich an jenem gaffenden Abgrund tanzt, diesem unerträglichsten aller Zustände, der alles Gute wie Schlechte zersetzenden, wertneutralen Leere mit dem Namen Nihilismus.
Die Sinnlichkeit anstelle von bestimmendem Sinn
Wir können uns einreden, ja wir haben im Verneinen des Geistigen jeden Anreiz dazu, dass es diese oder jene Bestimmung im (weltlichen, physischen) Sinnlichen gäbe. Aber einen höheren Sinn, einen bestimmenden Sinn gibt es erst durch das, was gleichfalls höher ist: das Geistige. Ohne jeglichstes Geistiges ist dem Menschen das Höchste lediglich der Sinn, der das Physische wahrnimmt, denn dort findet sich die Lust. Wer das Geistige verneint, verneint – sehr konsequent gedacht – den Sinn im Leben, und auch den Sinn in sonst allem. Auch das Sinnliche hat keinen höheren, bestimmenden Sinn. Deswegen kann das weltliche, physische Sinnliche das Fenster zur Leere, das bei fehlendem, bestimmendem Sinn aufgerissen wird, nur schwerlich geschlossen halten, aber dem Menschen ohne bestimmenden Sinn ist das physische Sinnliche die einzige mögliche Alternative, um sein Dasein auszuhalten (sich abzulenken), und es nicht dem Nihilismus hinschmeissen zu müssen (es aufzugeben).
Eine gewisse Naivität ist den Sensualisten somit ein Segen wie auch ein Fluch. Der Sensualist ist der Mensch, der den physischen Sinnen am nächsten ist. Die Naivität ist hier ein Segen, weil sie dem Sensualisten erlaubt, im Denken nicht zu konsequent sein zu müssen, aber sie ist gleichzeitig ein Fluch, weil die Naivität, in der Form der weltanschaulichen Einseitigkeit, das Leiden des Menschen durch den nahenden Nihilismus überhaupt erst verursacht; denn kein Sensualist braucht das Geistige zu verneinen, nur weil ihm das Geistige polar gegenüberliegt. Die Naivität suggeriert uns, dass das Verneinen des polar Anderen notwendig sei, und dadurch entsteht die (fehlerhafte) einseitige Weltanschauung.
Wird das weltlich Sinnliche Notwendigkeit, ist das Sinnlose aber bald Programm, und über allerlei weltliche Ablenkungen hinweg beginnt eine eigentlich albtraumartige Flucht vor dem Sog viel zu gewaltiger innerer Abgründe (Sinnlosigkeit). So ist es dem Menschen sehr gedient, sich im abwertenden Urteil zum Geiste mindestens zu enthalten, aber viel besser noch, den Geist ganzen Herzens im Leben aufzunehmen.
Zusammenfassung
Wir haben gesehen, dass es nur möglich ist auf die abwegige Spur der „Begriffslosigkeit zum Guten“ kommen zu können, wenn ein Mensch seinen Geist (sein eigentliches Wesen, d.h.: was er im Kern wirklich ist) ohne Geistiges sein lässt. Dieser Mensch, der damit sich selbst verneint, kann keinen echten Sinn (d.h. „Sinn des Lebens“) haben, und so wird ihm das physische Sinnliche so sehr zur Notwendigkeit, wie den meisten Menschen der Schlaf oder das Sonnenlicht zum gesunden Leben eine Notwendigkeit ist. Und das physische Sinnliche ist ihm deswegen eine Notwendigkeit, weil es ihn davon ablenken kann, dass das Leben (sein Leben) ohne Sinn einzig ein ungeheures, pechschwarzes, bodenloses Loch ist, in dem er endlos fällt und abtaucht, das wir Nihilismus nennen.