Um zu unterscheiden was ein Ganzes und was ein Teilhaftes ist, gebrauchen wir zur Anschaulichkeit zuerst den Menschen und dessen Anteile. Der einzelne Mensch ist für sich eine Einheit. Diese Einheit hat ihre Teile, zum Beispiel die Gliedmassen. Die Gliedmassen haben wiederum ihre Teile; der Arm zum Beispiel hat den Oberarm, den Unterarm und die Hand. Wir können somit sagen, dass wir da Anteile des Armes haben.
Aber wir können nun weiter gehen, denn wir können auch die zwei „Punkte“ des Armes als Teile bezeichnen, die zwischen Oberarm und Unterarm einerseits, und Unterarm und Hand andererseits liegen, und weiter einen dritten Punkt, der den Arm mit der Brust verbindet.
Betrachten wir in solcher Weise nur den Arm in seinen Teilen, anstatt den Mensch, so ist der Arm die Einheit, und es ist nicht mehr der Mensch die Einheit. Der Arm hat an dieser Stelle aufgehört Teil zu sein, denn den ganzen Menschen betrachten wir nun nicht mehr, sondern wir betrachten nun nur noch den Arm. Der Arm ist dann eine Einheit neben der Einheit Brust, mit der er verbunden ist. Da haben wir also die Achsel, den Ellenbogen und das Handgelenk als die Punkte, die die Teile des Armes verbinden. Von diesen Punkten können wir gleichfalls sagen: das sind die eigentlichen Teile des Armes, und das andere ist nur dazwischen oder an einem Ende. Oder wir können Knochen, Muskeln, Haut und Blut benennen, und das zusammen als Arm bezeichnen, usw.
Aber wozu beschränken wir uns allein auf die Physiologie unseres Armes? Wir können auch sagen: der Arm ist eine Notwendigkeit um die Hand zu ermöglichen, und erst die Hand ist es, die der Materie Formen gibt und dabei allerlei grossartige Werke schafft. Und auch hier brauchen wir nicht stillzustehen, denn durch die Hand entstehen Gemälde für das Auge, es entsteht Musik für das Ohr, Gerichte für Mund und Magen, Berührung für die Haut, Düfte (wie die der Botanik) für die Nase – wie sind solche gefühlsnahe Künste zu denken ohne das Geschick der menschlichen Finger? So ist es nicht mehr der Arm der von Bedeutung ist, und es ist nicht mehr die Hand die von Bedeutung ist, sondern die geschaffenen Werke sind aus solcher Perspektive von Bedeutung.
Auch im Kleineren können wir hinschauen, und uns etwa die Mathematik ausmachen, die wir da an den Fingern sehen. Wir sehen vier Finger und einen Daumen an einer Hand, und die vier Finger haben jeweils drei Gliederchen. Wir können mit dem Daumen somit zwölf Einheiten an den Gliederchen abzählen. Somit hat ein jeder Finger nicht nur den Wert von eins, wie wenn ein Zeigefinger aufgestreckt wird, sondern einen Wert von drei, weil an seinen drei Gliederchen die Drei abgezählt werden kann. Wir können pro Hand und deren vier Finger somit zwölf Gliederchen abzählen, und mit dieser Zahl zwölf sind wir bereits angelangt bei einer grösseren Wahrheit des Kosmos und der Welt und des Menschen. Wir sind bei der Zwölfheit angekommen, und welches Tor bleibt noch verschlossen, wenn die Zwölfheit entdeckt wird?
Am Beispiel des Armes sehen wir: eine ganze Anzahl Teile finden wir an einem Einen. In der Kategoriensprache ist das Eine die Gattung, und die Teile des Einen sind die Arten, die der Gattung untergeordnet sind. Wir können in verschiedensten Weisen ordnen, was am Einen an Teilen vorhanden ist. Wir können – am Beispiel des Armes – diesen der Länge nach aufteilen, oder den Verbindungspunkten nach. Wir können weiter unterscheiden was alles parallel den Arm entlang geht, wie Knochen, Blut und Muskel. Wir können seine Oberfläche anschauen, wie die Hühnerhaut, den Sonnenbrand, Bräune, Bläue, kleine Härchen, Muttermale, Narben, Schuppen, Krankheiten, Falten, Schmutz, Schmuck, und vieles anderes. Wir können betrachten wie sich der Arm über ein Menschenleben hinweg entwickelt, wie sich die Knochen vergrössern, die Muskeln aufblähen, die Haut vertrocknet, und welchen Einflüssen er ausgesetzt ist. Wir können studieren wie die Wahrnehmung durch die Nerven mit dem Rest des Körpers verbunden ist. Wir können den Kontext des Armes betrachten, wie die Kälte, die Feuchtigkeit, die Reibung der Kleider. Wir können ins Abstrakte gehen, und mehr die Funktion des Armes betrachten, anstatt seine Zusammensetzung. Wir können ihn mit den Armen und Beinen im Tierreich vergleichen, von der Tentakel eines Krakens zu den Scheren einer Krabbe; oder weg von der Natur, zu den Armen von Baumaschinen, Industrierobotern, oder einer einfachen Müllzange zum Aufheben von Papierchen. Ja, wir können mit dem Abstrakten fast unendlich weit gehen, wie etwa zur Idee des Armes, zum Wort und zum Begriff davon, oder gar ins Negative – beispielsweise können wir den Arm nach der Leere um ihn herum beschreiben, oder etwa nach dem Phantomschmerz bei fehlenden Arm; oder nach all dem, das er nicht ist, nach dem das er stattdessen sein könnte, usw usf. Die Vielfalt hat keine Grenze, und auf jedes Einzelne kann wiederum fast unendlich tiefsinnig eingegangen werden.
Wenn wir uns die verschiedenen Perspektiven und Herangehensweisen vor Augen halten, so sehen wir da tatsächlich die Vielfalt der Weltanschauungen vor uns. Und es liegt nicht daran, dass der Arm da etwas ganz Besonderes wäre – diese Vielfalt ist allzeit, überall, vom Kleinsten bis zum Grössten, um uns herum vorhanden, wir müssen sie nur wahrnehmen. Sehen tun wir sie unablässig. Und wenn wir ehrlich sind, so müssen wir sagen, dass da keine Widersprüche sind. Es ist kein Widerspruch, einerseits die Knochen, das Blut und die Muskeln zu betrachten, und andrerseits z.B. das Wort „Arm“. Es sind zwei sehr verschiedene Dinge, die da zum Arm gehören, aber der Punkt ist doch, dass sie gleichermassen zum Arm gehören. Es sind Dinge, die zwar sehr verschieden sind, aber einander nicht widersprechen; denn das Eine schliesst keineswegs das Andere aus. Es ist etwas Wichtiges zu verstehen, dass da keine Widersprüche im Andersartigen sind; und dass da auch nicht Gegnerschaften vorhanden sind. Es scheint auf den ersten Blick bestimmt chaotisch, was da alles zur Ordnung möglich ist. Aber dafür ist das Weltanschauungsprinzip da – um der Vielfalt der „Substanzen“ eine Ordnung zu geben.
Es ist eine sehr effektive Übung um sich mit der Weltanschauungsvielfalt bekannt zu machen, sich einen beliebigen Gegenstand zu nehmen, und zu diesem in der Folge einige wenige Minuten konzentriert nachzudenken, was da alles dazugehört. Wer sich darin übt, die Vielfalt besser wahrzunehmen sollte aber daran denken, entsprechende ausgleichende Übungen zu machen, wie Übungen die die innere Ruhe pflegen. Die Vielfalt der Substanzen kann einen fast schwindelig werden lassen, und so ist es gut, eine Ruhe mit auf den Weg zu bringen.
Das Weltanschauungsprinzip zeigt uns ganz genau alle die Verhältnisse und Gesetzmässsigkeiten die in den zwölf Grundsubstanzen zu finden sind. In der zweiten Gattung etwa, den drei Seelentönen, sehen wir, wie die „Weltanschauung“ nichts anderes tut als eine Brücke zu schlagen zwischen den Weltsubstanzen und den Menschensubstanzen, und wie sich uns dieses Aufeinandertreffen als Wahrnehmung zeigt.
Wir werden das Dutzend über zwölf verschiedene Wege beschreiben. Von der Mengenlehre der Mathematik entlehnen wir eine exakte Symbolsprache, die präzise definieren lässt, was im Weltanschauungskreis von was Teil ist, oder was von was Abstand hat. Denn die zwölf Substanzen liegen nicht säuberlich nebeneinander; da gibt es viele Überlappungen und Verschiedenheiten auf dem Weltanschauungskreis. Trotzdem lässt sich säuberlich mathematisch ordnen, was sich da auf den ersten Blick scheinbar unsäuberlich schneidet oder meidet. Die Mengenlehre – und andere mathematische Hilfsmittel wie die Geometrie – helfen uns zu bestimmen, wie die Verhältnisse auf dem Weltanschauungskreis zu beschreiben sind; auch in verschiedenen Kombinationen, und auch mit den anderen drei Gattungen. Von der Wesenslehre der Monaden (die Lehre der „wahren Individualität“, auf der anderen Seite zur Mathematik), entlehnen wir eine zur Lüge unfähige Gefühlssprache, die uns all die seltsamen Verkehrungen im Geistigen entschlüsselt. Mathematik und Monaden sind aber nur zwei der zwölf ‚Sprachen‘, die uns in den Vielfaltsreichtum der Substanzen führen werden.
Kurz: Wir wenden den Kreis auf sich selber an.