Zeitgeistserie: Daniel Schmachtenberger 1 – Sinnforschung

Wer vermisst in der Gegenwart griechische Seelen, die sich ihrem Wesen nach ausdrücken können? Bei Schmachtenberger wird man fündig.

Daniel Schmachtenberger ist ein zeitgenössischer Denker, dessen Ideen ich aus einem englischsprachigen Video aus dem Jahr 2020 transkribiert und übersetzt habe. Die englische Transkription findet sich bald als .TXT zuunterst am Artikel. Das Video ist Teil einer fünfteiligen Serie. Ich transkribiere und übersetze hier (zumindest vorerst) nur Teil V der Videoserie, und mache aus diesem einen Video eine vierteilige Artikelserie.

Das Video ‘War on Sensemaking V’ hat 24 Teile.

  • Intro
  • Covid factor
  • Cascading breakdowns
  • Maximum polarisation
  • Existential stakes
  • Societal chaos
  • Epistemology and tribalism
  • Fragile democracy
  • Democratic failure
  • Information commons, epistemic commons
  • Coordination systems: Markets, States, Cultures
  • Interplay between Market, State and People
  • Narrative warfare
  • Limbic hijack
  • Hyper objects
  • Information warfare, historic context
  • Stochastic terrorism
  • Free speech, freedom of reach
  • Fixing sensemaking
  • Improving sensemaking, doing Facebook right
  • Personal sensemaking
  • New solutions
  • Essential context
  • Trans narrative

Deutsche Übersetzung:

Teil 1 Sinnforschung

Teil 2 Sinnfindung

Teil 3 Sinnstiftung

  • Hyperobjekte
  • Informationskrieg, Geschichtskontext
  • Stochaistischer Terrorismus
  • Redefreiheit, Verbreitungsfreiheit
  • Sinnforschung reparieren

Teil 4 Sinnbildung

  • Sinnforschung verbessern, Facebook richtig gemacht
  • Persönliche Sinnforschung
  • Neue Lösungen
  • Unabdingbarer Kontext
  • Metageschichte

Daniel Schmachtenberger spricht von hier an bis zum Schluss:

Intro

In dieser Serie [Anm.: Teile eins, zwei, drei und vier] haben wir bis jetzt eine Anzahl Aspekte um die Frage, warum die Informationsökologie kaputt ist, warum es so schwierig ist, Geschehnisse in der Welt zu ordnen, warum die Menschen zu fast allen Themen zu so polarisierten Meinungen gelangen, und warum dies so viele Konsequenzen für unsere Fähigkeit, gute Entscheidungen zu treffen, und angemessen zu handeln, hat, wenn wir uns nicht einmal in Grundlegendstem darüber einigen können, was ist, angeschaut.

Kovidfaktor

Als Kovid kam, hatten viele Menschen die Hoffnung, dass dies ein einigender, für die ganze Welt gemeinsamer Feind sein könnte, der uns zusammenbringen könnte. Ein Virus ist fast wie ein ausserirdischer Eindringling, der nicht menschenähnlich ist, der nicht ist, wie wir. Wir sind alle davon bedroht, wir können uns in vereinter Front dagegen wenden und wissenschaftliche Erkenntnisse, medizinische Mittel usw. teilen. Ich erinnere mich, wie dies eine, zumindest rückblickend, sehr naive Hoffnung war, die von einer Anzahl Menschen geäussert wurde, und wir sind davon so weit entfernt, wie man sich nur vorstellen könnte. Wir sehen in und unter den Ländern Polarisation, und wie verschieden man damit umgehen könnte, und zu fast jedem Unterthema, sei dies Hydroxychloroquine oder Masken oder Schliessungen oder Impfungen, es gibt fast übergreifend Polarisation. Wir sehen die globale Ordnung verändert, wir sehen auch zwischen Ländern Polarisation, die Beziehungen zwischen den USA und China waren schon vorher gespannt, nun wurden sie intensiviert – dasselbe innerhalb der EU. So denke ich, dass Kovid als ein Problem aufkam, das gerade gross genug ist, um die systemischen Schwächen freizusetzen, die auch davor schon bestanden.

Kaskadenartiges Versagen

Wir sassen genau hier, vor einem Jahr, glaube ich, noch vor Kovid, und wir sprachen über das allgemeine Versagen der ‘Ereignisanalyse‘, das vor Kovid schon aufgetreten ist, und das die systemische Zerbrechlichkeit in Gang gesetzt hat, und katastrophale Gefahren unmittelbar machte. Aber dann, seit Kovid, und seit den Aufständen und den Bränden [Anm.: er meint hier v.a. ‘Black Lives Matter’ in 2020], und so vielen Typen an Bewegungen, verstärkten sich militärische Spannungen rund um den Globus. Ich meine, dass jeder einen unterschiedlichen Eindruck davon hat. Man hat den Eindruck, dass nicht nur einige Menschen über eine bevorstehende Katastrophe sprechen, dass wir aber schon darinnen stehen, und das ist nicht nur in ‘einer’ Luft. Es breitet sich aus, es ist kaskadenartig [Anm.: beim ‘Kaskadeneffekt’ hat jedes Ereignis die Möglichkeit, eine Vielzahl an Folgen zu haben, während beim ‘Dominoeffekt’ jedes Ereignis normalerweise nur eine, vielleicht zwei, Auswirkungen hat].

Und so ist, worüber ich heute sprechen möchte, nicht nur ein “Ok, wir haben all diese Probleme”, sondern ein: “Warum ist unsere Einschätzung der Probleme selber schon eine der Hauptursachen der Probleme, eine Ursache der Verschlimmerung der Probleme, und was würde von uns benötigt, für eine geteilte Einschätzung, welche die Lösungen erst ermöglicht?”

Maximale Polarisation

Wir können fast jede Problematik nehmen, und fragen: was sind die folgereichsten Probleme der Gegenwart? Was sind die Dinge- die sowohl beliebtesten Themen im Nachrichtenzyklus, und womöglich die folgeschwersten? Und wir schauen auf die Antworten, und wir untersuchen, zu welchen es einen ziemlich grossen Konsens unter den Bürgern gibt, so finden wir, dass es keine Problematik gibt, die von den Menschen generell als eine Problematik angesehen wird. Nicht nur gibt es dadurch keinen Konsens, es gibt eine fast maximale Polarisation in den Antworten, die man fast als maximale Polarisation empfindet – und dies ist die Basis, für nicht nur soziale Spannungen, sondern für eine Bewegung zu offenem Konflikt, zu Krieg.

Gefährdete Grundpfeiler

Wenn man über die kommenden Wahlen nachdenkt [Biden – Trump 2020], so würde ich sagen, dass wir uns in einer Situation finden, die in der Geschichte unserer aller Leben keinen Vergleich findet, die gar in der Geschichte der USA ohne Vergleich ist. Jeder hat stets empfunden, dass die Präsidentschaftswahlen folgeschwer sind, vielleicht meint man, dass sie folgeschwerer sind, als sie tatsächlich sind, und man wird sehr leidenschaftlich dazu. Der Anteil der Menschen aber, der in diesem Moment denkt, dass die Wahlen nicht nur folgeschwer, sondern existenziell für die Republik sind, ist sehr hoch. Es ist ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung, der denkt, dass der Ausgang der Wahlen entweder das Ende der Nation, oder die Möglichkeit, noch weiter zu existieren ist, und das denken beide Seiten. Die Unterstützer von Trump haben das Gefühl, dass Trump das einzige zwischen dem Schutz der Republik und dem Schutz der Bevölkerung und einem in Intrigen verstrickten Schattenstaat, der alles konsumiert und in sich aufnimmt, und gleichzeitig, wie schon seit den 70er Jahren, China verharmlost, und im Prinzip jede Kontrolle an China abgibt, ist. Derlei Gedanken haben sie. Die ‘Never-Trumpers’ hingegen glauben, dass Trump die letzten Elemente einer Republik zerstören, und eine Dynastie erbauen würde, eine Art Familiendynastie, mit seinen engsten Leuten, jenen, die er auserwählt. Es ist, wie wenn beide glaubten, es sei das Ende der Republik, wenn der andere reinkommt, und dass die andere Seite die Wahl stehlen würde. Sie sind dazu ausgelegt, dass es keine Sicherheit im Wahlprozess gibt, sie wird gestohlen werden. Was geschieht also, wenn die Wahl kommt, und sie nicht als gültig akzeptiert wird, und sie gleichzeitig als existenziell empfunden wird? Und wir haben bereits diese wachsenden Spannungen, die schon da sind, mit Kovid, durch die Schliessungen. Schliessungen bedeuten, dass von der Bevölkerung mehr Zeit für den Konsum von Nachrichtenzyklen vorhanden ist, und dann bedeutet es weiter wachsende Arbeitslosigkeit. Wenn wir also sahen, wie all die Gewalt rund um George Floyd begann, so war die Gewalt bereits dazu ausgerichtet durch einen Auslöser zu beginnen.

Gesellschaftschaos

Wenn Du die Indizen zu Chaos in der Gesellschaft studierst, i.e. die Dinge welche eine Grundlage zu sozialem Chaos bilden, so findest Du, dass je mehr Menschen in einem bestimmten System ihre grundlegenden Bedürfnisse nicht befriedigt sehen, desto eher sind diese gewillt, gegen das System zu wirken. Wen Du nun viel Arbeitslosigkeit hast, so ist dies eine sehr instabile Situation für das System als Ganzes, und das zeigt sich dann auch, und kaum jemand hat wirklich die Fähigkeit, das gut zu verarbeiten. Auch ist die Berichterstattung nicht dafür ausgelegt, solches in angemessener Weise zu verarbeiten, das für die Berichterstatter übrigens eine sehr schwierige Aufgabe ist. Es ist sehr viel einfacher, und es findet sich auch viel mehr Anreiz, Vorgänge durch eine bestimmte Perspektive hindurch, für bestimmte Ziele, zu beschreiben.

Epistemologie (das Studium der Voraussetzungen des Wissens) und Tribalismus

Und so haben die Menschen zu grossen Teilen aufgegeben, nach Wegen zu Wissen zu suchen, und ersetzten dies durch ‘Tribalismus’. Man tauschte die Epistemologie gegen die Mitgliedschaft an Gruppendynamiken. Das bedeutet, dass aufgehört wurde, gründlich zu untersuchen, wie man aus den Dingen [e.g. ‘dem Lärm’] das Sinnvolle extrahieren kann, und stattdessen diesem oder jenem Narrativ gefolgt wurde. Nehmen wir z.B. QAnon als ein Narrativ, oder nehmen wir Antifa als ein Narrativ, und dann brechen wir dies auf in die jeweiligen einzelnen Propositionen, und schauen wir dann auf jede Proposition im Einzelnen. Welche Beweise finde ich, um entweder zu bestätigen oder zu widerlegen was ich finde? Es sind da keine, ich finde auch keine Beweise, welche den Propositionen helfen, oder ihnen entgegen wirken – andere werden die Beweise anders bewerten. Geh nun über das Ganze und achte auf alternative Hypothesen – niemand macht das richtig, ja, sehr wenige nutzen formale, epistemische Prozesse. Worauf sie aber achten, ist, was sich wahr anfühlt, oder was zumeist mit dem übereinstimmt, was ich bereits denke, und welchem Team ich angehöre, wer ich sein möchte und womit ich am meisten konfrontiert werde.

[Ende von Teil 1 von 4 der Artikelserie]

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