Philosophie ist die Verschmelzung von den zwei WA Idealismus und Realismus. Ihre Methode erstreckt sich auf sich selbst wie auch auf alle anderen WA. Das ist das Besondere am Weltanschauungspaar Idealismus und Realismus, dass sie dort, wo sie zusammen kommen, eine anstossende, belebende Wirkung auf alle anderen WA haben. Vielleicht gilt das auch für andere Oppositionspaare. Der Idealismus beginnt oben beim Allgemeinen und arbeitet sich von da hinunter zum immer Kleineren, er beginnt bei der ‘Deduktion’ (also ‘vor’ der Erfahrung, Kant bezeichnete dies als ‘apriori’). Der Realismus beginnt bem Denken nach der Erfahrung, bei der ‘Induktion’ (Kant: ‘aposteriori’). Der Realismus arbeitet sich vom Speziellen, d.h. von unten, nach oben hin zum immer mehr Gemeinsamen.
Um für die Methode der Wissenschaften eine Alternative aufzubauen, müssen wir wissen, wo wir beginnen sollen.
Man muss bei der Philosophie beginnen, weil dort alles geschaffen wird, das wirklich Grundlage ist. Bei der Philosophie muss begonnen werden, weil sonst bald alles wieder zurück in alte Gewohnheiten fällt. Die Philosophie ist der einzige Ort, wo etwas wirklich Neues entstehen kann, das auch länger Bestand hat, und dem Menschen einer bestimmten Epoche entspricht. Alles Nichtphilosophische leitet sich allein davon ab, wie die Philosophie ihre Fragen stellt. Ohne Philosophie zerfällt alles, denn ohne Philosophie gibt es nichts, das alle zwölf WA zusammenhalten kann.
Wir beginnen also bei der Philosophie. Und hier stellen wir nun die erste Frage, von vielen möglichen ersten Fragen: was wollen wir mit dem Wissen? Davor kommt vielleicht noch die Frage, was wir mit dem Begriff Wissen sagen wollen. Ist das Wissen ein Ansichtenhaben, mit einigen Zusätzen, wie Beweisen? Je weniger Ansicht und je mehr Beweis, desto mehr ist es Wissen? Oder ist es etwas ganz anderes? Hat man diese Antwort einmal gefunden, so stellt sich die Frage, wofür wir es überhaupt gebrauchen wollen.
Was ist Wissen? Wissen ist Objektivität, und damit jenes, das einem von einem anderen über es selbst gesagt wird (siehe Artikelserie Subjektivität, Objektivität, Aprosität). Sagt mir ein Mensch etwas über sich selbst, so habe ich ein Wissen darüber – von der Tatsache die er mir über sich gesagt hat, wie auch über jenen Menschen. Er kann auch lügen, dann habe ich ein Wissen über eine Falschheit, vielleicht ohne zu wissen dass sie eine solche ist. Wissen wird dadurch von dort, vom anderen, weggegeben. Dies gilt nicht nur von Menschen, sondern auch von Dingen, z.B. wenn man sich etwas anschaut. Alles teilt sich einem mit, nur schon durch das Gesehenwerden, auch das ist unter das Wissen zu ordnen. Wissen entsteht also beim Ding, das sich mitteilen muss oder will. Meinung hingegen geschieht, wenn dasjenige, das man betrachtet, zwar das Wissen über sich anbietet, man dies jedoch ablehnt, und sich stattdessen etwas vom anderen ‘nimmt’ (nämlich das, was man sehen will). Das ist dann nicht Wissen, sondern Meinung, aber es hat durchaus auch eine wichtige Rolle. Wissen ist das Geschenk des anderen. Eines anderen, das etwas über sich selbst preisgibt. Das zumindest ist das Schema das wir für Objektivität und Subjektivität gebrauchen.
Wissen entsteht durch ‘Exegese‘: die Information wird so angenommen, wie sie ist. Die eigene Ansicht mit dem Ding zu verknüpfen nennt sich hingegen ‘Eisegese’.
Was wollen wir mit Wissen nun erreichen? Wir wollen, dass das Wissen sich durch Schulen so anbietet, dass dem Menschen damit eine umfangreiche Ausrüstung mitgegeben wird, um sich auf eine persönliche Beziehung zu allerlei weiterem Wissen aufzumachen. Für die höhere Bildung, wie Universitäten, gilt etwas anderes, da sich dort viele verschiedene Disziplinen finden. An den Universitäten findet sich für jede Disziplin etwas anderes, das angemessen ist.
Welche WA ist die ‘beste’ für Wissenschaft? Es gibt keine, die für alles die beste wöre, weil sich die wissenschaftlichen Disziplinen so sehr unterscheiden. Aber jede Disziplin hat eine WA, die am besten zu ihr passt. Jede Disziplin gehört in den WA irgendwo eher hin.
Wenn die Wissenschaft ein Teil des Wissens ist, so haben wir die Wissenschaft danach auszurichten. Wissenschaft ist die Art, wie das Wissen gefunden, gepflegt und entwickelt wird. Wenn das Wissen ist, was das andere über sich selber aussagt, womit verbleiben wir dann? Wir haben uns zu entscheiden, was uns wichtiger ist: ein System, auf das wir uns verlassen können, oder Wahrheit? Die zwei schliessen sich nicht aus, aber es ist wichtig, was zuerst kommt. Was liegt uns also näher: die Gewissheit, dass wir die Verantwortung über die Tatsachen mit einem System teilen können, oder eine Wahrheit, die wir alleine schultern müssen?
Habe ich nicht ein System, auf das ich zurück fallen kann, so bin ich alleine verantwortlich. Ist das System gut, so kann ich einen Teil des Denkens dem System verantworten. Wenn es jedoch an mir liegt, aufnehmen zu können, was das andere mir über sich sagen will, und nicht irgendwelchen Instrumenten einer Methode, so werde ich eine ganz andere Rolle in der Untersuchung haben müssen.
Als Vergleich ein Lehrling, der Tag für Tag, Monat für Monat, neben seinem Lehrmeister hertrottet, und nie ein eigenes Projekt verantworten muss. Für einen solchen Lehrling wird es schwer sein, das Können zu entwickeln, um auf einmal wirkliche Verantwortung zu übernehmen. Dieser Lehrling wird sich auf einmal schlagartig in seinem Wesen verändern, wenn er eigene Projekte zu schultern hat, ohne dass er die Verantwortung irgendwohin übertragen kann.
So wird der Wissenschaftler versuchen müssen, das Wesen des Dinges vor sich zu erkennen, es wird nicht mehr reichen, einfach Datensätze abzulesen und zu ordnen. Das will nicht heissen, dass Datensätze keine Gültigkeit mehr haben, aber sie sind nicht mehr der alleinige Weg zur Wirklichkeit. Sie müssen sich diese Rolle mit anderen Ansätzen teilen, sie werden zu ihrer Entsprechung: zum Hilfsmittel. Sie sollen nicht mehr der Urquell von Erkenntnis darstellen.
Heute ist es das Umgekehrte, von dem wie es sein müsste. Was ist der Wissenschaftler heute anderes, als ein Hilfsmittel für die Studie, um möglichst reine Objektivität zu erreichen? Es sollte so sein, dass der Wissenschaftler sich ein wissenschaftliches Denken erübt, mit dem er die Messinstrumente dort verwendet, wo sie als Hilfsmittel unentbehrlich sind. Er ist jedoch noch immer der zentrale Punkt, mit seinem geschulten Gefühl, und seinem geschulten Denken für das Wahre.
Im letzten Artikel wurde gesagt:
Objektivität wird erreicht, wenn das Ich eines Menschen zu einem Ding hin geht, und sich ausserhalb des Menschen mit diesem verbindet. So wird das Ding zum Objekt.
Das ist das Schema, das wir bis jetzt verwendet haben. Jedoch müssen wir uns das Ganze noch einmal anschauen, und mit einem wichtigen Gedanken ergänzen. Das Schema ist also noch nicht ganz richtig, aber irgendwo haben wir ja beginnen müssen.
Die Rolle des Wissenschaftlers muss eine andere sein, aber auch das, was man unter dem wissenschaftlichen Denken versteht, muss ein anderes werden. Was in das wissenschaftliche Denken zusätzlich hinein spielen muss, ist ein gesundes Fühlen. Man muss sich mit dem Objekt vor sich so verbinden können, dass man versteht, wie man im Objekt, d.h. in der Welt, zumindest im tieferen Studium, nur eine Spiegelung des eigenen Wesens finden wird. Etwas anderes nicht möglich.
Damit soll nicht gesagt werden, dass alle Objekte den Menschen tatsächlich spiegeln, dass man also überall nur sich selbst sieht. Was gemeint ist, ist, dass dort, wo man sich in eine Sache vertieft, wo man zu wirklicher Erkenntnis kommt, dieses Phänomen erlebbar ist. Man merkt in diesem Erlebnis, dass bei der Betrachtung eines Objektes die Erkenntnis viel mehr einen selbst betrifft, als das eigentliche Objekt vor einem. Umgekehrt betrifft die Erkenntnis aus der Selbstreflexion viel eher die Welt und die Menschen ausserhalb von einem, als einen selbst. Reflektiert man über sich selber, werden einem verschiedenste Dinge über die Menschen beginnen einzuleuchten. Es ist ein Widerspruch, aber diese Aussage ist nicht abzustreiten, ohne dass man diese Erfahrung abstreitet.
Aus dem oben Gesagten wollen wir versuchen im nächsten Artikel eine Methode zu entwickeln, die den Wissenschaftler in das richtige Verhältnis zu seinem Studium stellt.
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