Das Weltanschauungsprinzip (WAP) überwindet durch seine sinnvollen Kategorien in der Erkenntnis und im Urteil unangemessene Formen von
- Projektion (das Schliessen von sich aus auf anderes)
- Assoziation (Verbindung) und
- Omitation (Auslassung)
1. Projektion
Die Idee kleiner Kinder, die glauben, dass die Welt verschwindet, wenn sie die Augen mit den Händen bedecken und nur noch Stimmen übrig bleiben, ist den meisten bekannt. Es findet sich unter Erwachsenen etwas Vergleichbares, und die dutzend WA verhelfen dem Menschen zu einer Kraft zur Überwindung dessen. Das bedeutet nicht, dass Kinder deswegen weise seien – sie sind es nicht – vielmehr bedeutet es, dass wir von ihrer einfachen Naivität zu unserer komplexeren Naivität nützliche Schlüsse ziehen können. Auch wenn Kinder nicht weise sind, können durch sie also weise Dinge erschlossen werden.
Etwas Ähnliches ist also die damit vergleichbare, unbewusste Annahme der meisten Menschen über ihr Weltbild: sie nehmen an, dass ihre Sicht auf die Welt, oder ihr Bild von der Welt, eine richtige ist, und wenn andere Menschen irren, jene Menschen nur einen Teil jener Sicht sehen, und aus ebenjenen Bruchstücken zu ihren falschen Annahmen kommen. Wie das kleine Kind, das die Hände auf die Augen legt, und dann von sich aus auf die ganze Welt schliesst, schliessen sehr viele Menschen von ihrer ‘Sicht auf die Welt’ auf ‘die Welt an sich’, wie auch auf alle anderen Menschen. Dass andere Menschen jedoch eine ganz andere, aber gleichsam wahre Welt sehen können, das möchten die dutzend WA zeigen.
Die falsche Annahme der Einseitigkeit ist: “Niemand sieht, was ich nicht sehe (= es gibt nichts ausserhalb meiner Sicht), abgesehen vom Wahnhaften, das falsche Vorstellungen herbeizaubert. Folglich liegst Du falsch, weil Du nur einen Teil von meiner Sicht siehst.” Die Aufgabe der dutzend WA ist es für die Gegenwart, einer Vielzahl von Menschen zu helfen, jene kindlichen Vorstellungen über die Welt und das Wahre zu überwinden, und etwas auch ausserhalb der eigenen Sicht auf die Welt als existierend akzeptieren zu können. Die WA erlauben die feine Gratwanderung zwischen jenen, die sich selbst als im Zentrum verstehen, und jenen, für die alles relativistisch, und nichts mehr wahr ist. Zweiteres ist die Scheinaufklärung, der sich viele Akademiker – auch von Ideenwissenschaften – unterworfen sehen, für sie gilt im besten Falle gerade noch der materielle Beweis als eine letzte Bastion von Gewissheit, alles darüber ist unwissbare Spekulation. Jener Irrtum wird in der Zukunft vermutlich immer mehr an Bedeutung zunehmen, als er in der Gegenwart hat.
Die Relativisten irren wie die Selbstbezogenen in ihrem Extrem. Die WA stellen den Menschen damit in eine viel stärker dem Wirklichen entsprechende Beziehung zur Welt, wo er einen bestimmten Platz unter Plätzen hat, wo er sich in etwas Sinnvolles einordnen muss, wo er weder das Zentrum von allem ist, noch wo nichts mehr als wahr gelten kann. “Andere, falsche Sichtweisen auf die Welt sind lediglich ‘unvollständige’ Versionen meiner Weltanschauung”, so denkt der sich selbst als das Zentrum aller Erkenntnismöglichkeit Verstehende. Andere Weltanschauungen, oder in seinem Falle eher Weltbilder, sind ihm allein kleine Auschnitte aus dem Wahren und Wirklichen. “Hätten sie ein vollstänges Bild, so hätten sie mein Bild.”
Man braucht sich nur einmal zu besinnen, wie sich die eigenen Ansichten über die Jahre verändert haben, und man wird erkennen, wie man sich etwas einredet, das einen beruhigen soll. Denn die Welt hat sich durch meine Meinungsänderungen über die Jahre nicht meinem Bild entsprechend geändert, es wäre dies eine absurde Aussage. Wenn wir jenem Denken folgen, welche Folge an Gedanken können wir sehen? Gälte z.B. nun was ich heute denke für die damalige Welt nicht? Wie kann ich heute für die Gegenwart richtig liegen, mich aber gleichzeitig heute in Bezug auf die Vergangenheit irren? Ein Irrtum von zwei möglichen muss hier vorhanden sein, sonst habe ich mich genau analog zur Welt verändert. Liege ich nun richtig für die Gegenwart und die Vergangenheit, und lag ich auch damals richtig, und so habe ich, sofern sich die Welt nicht wie ein Mensch in einem Menschenleben veränderte, meine Ansicht nicht verändert, was wiederum bedeutet, dass ich nichts gelernt habe. Kann ich alles wissen wenn ich nichts lerne? Natürlich nicht. Liege ich aber in meiner Ansicht über die Vergangenheit im Irrtum, wie kann ich dann heute behaupten, heute das Wahre zu vertreten? Es ist dies doch gerade der Beweis dass ich Fehler mache, und weshalb soll ich annehmen, dass ich keine Fehler mehr mache? Habe ich über die Vergangenheit heute recht, so hatte ich damals unrecht. Was gibt mir nun die Hoffnung, heute für das Heute recht zu haben? Wohin man hier auch geht, sogleich entsteht ein Widersinn.
Es finden sich zwölf möglich Fehlschlüsse jener Selbstbezogenheit, vier davon in einer analog zu mir veränderten Welt über Gegenwart und Zukunft, vier in einer unterschiedlich veränderten, und vier in einer mir untergeordneten, wo es nicht ich bin, der falsch liegen könnte, sondern wo die Welt zu mir falsch liegen kann. Man sieht, man ist überall im Widerspruch, wenn man sich zum Zentrum macht. Und man ist deswegen Widerspruch, weil man in einer einseitigen Weise darauf beharrt, dass man alleine recht hat, und dass nichts anderes da draussen gälte, das von einem zu sehr verschieden ist.
Vielleicht ist man etwas offener, und man sagt: ich bin zwar nicht der weiseste, erkenntnisreichste Mensch der Welt, aber es gibt Menschen die es sind. Meine Sicht auf die Welt ist ein Ausschnitt aus deren Sicht auf die Welt. Vielleicht geht man noch etwas weiter, und man sagt: ich bin nicht der Erkenntnisreichste, aber es gibt Menschen, welche die erkenntnisreichsten sind, und ihre Sicht ist ein besserer, vollständigerer Auschnitt aus dem Wahren, als bei anderen Menschen – inklusive mir – zu finden ist, und je länger sie forschen und studieren, desto vollständiger wird ihre Sicht auf die Welt, bis sie irgendwann vollständig sein könnte. Aber auch diese Sicht ist eine, die meint, dass ein einziges Bild über die Welt, aus einer einzigen Perspektive – weil durch einen einzigen Menschen – absolut sein kann.
Wenn wir nun noch einmal einen Schritt weiter gehen, und eine noch grössere Wahrheit erlauben, landen wir bei unseren WA. Hier sagen wir wieder: ich bin nicht der Allwissende, es gibt aber Menschen die sehr vieles wissen. Und wir sagen auch wieder: aber auch sie sind nicht Allwissende, und: sie werden es auch nie sein, weil dies in den WA ein Widerspruch wäre, da die WA für den Menschen nicht vereinbar sind. Jede noch so gründlich ausgebaute Sicht auf die Welt ist durch die dutzend WA ein bestimmter Ausschnitt aus dem Wahren, der selber zwar zutiefst wahr sein kann, aber mit den anderen Ausschnitten dennoch nicht zu vereinigen ist. Letzteres zeigt sich in anschaulicher Weise durch das ganze Dutzend der WA hindurch.
Der um die Unvereinbarkeit der Aussagen verschiedener WA Wissende (die sich jedoch nicht widersprechen, weil sie über komplett unterschiedliche Dinge sprechen) hat das naive, sich selbst in den Mittelpunkt allen Seins Stellende, überwunden. Man hält nicht mehr die Hände auf die Augen und glaubt, dadurch sei nun alles verschwunden, ausser einiger, durch die kindliche Selbstbezogenheit amüsierten, Stimmen. Man weiss durch die dutzend WA, dass es da noch mehr gibt als das eigene Selbst, dass es mehr gibt, als aus sich selbst schliessende, falsche Annahmen über eine für den Menschen mögliche Allwissenheit.
2. Assoziation
In Texten aus dem, oder über das alte, voraristotelische und vorplatonische Griechenland erstaunt mich manchmal, wie vermischt die Gedanken waren, wie wenig weltanschauliche Unterteilung sich fand. Wie konnten die Phytagoräer ihren Mathematizismus mit Religion, und diese mit Politik verbinden? Nichts schien von anderem angrenzbar zu sein, oder dann einfach nicht abgegrenzt zu werden, alles schein eins zu sein. Die Menschheit hat in der Schaffung sinnvoller Kategorien gewaltige Sprünge gemacht – und das Weltanschauungsprinzip (WAP) will hier zu einem bedeutsamen Beitrag verhelfen.
Auch wenn die Wissenschaften heute unzählige Sparten haben – Widersprüche, die vom WAP ohne geringste Probleme aufgelöst werden können, bereiten den teils einseitigen, teils schlecht abgegrenzten Kategorien grösste Schwierigkeiten. Das WAP schliesst alles Erfahrbare in sich mit ein.
Hier sind wir zum x-ten Male bei der Wissenschaftskritik, und wie immer stellt sich sogleich die Frage, wie eine solch allgemeine Kritik rechtmässig geäussernt werden kann, wenn Wissenschaften eben unzählige Kategorien haben. Sie kann geäussert werden, weil jene 1001 Kategorien nicht alle berücksichtigt werden müssen, sondern nur die Hauptkategorien.
3. Omitation
Ich gebrauche das Wort für ‘Auslassung’ oder ‘Weglassung’, und es wird synonym verwendet für Einseitigkeit. Betrachtet ein Mensch z.B. ein Problem des Realismus, und verwendet er dafür allein den Materialismus, so ist er mit der Sicht auf den Materialismus einseitig, denn zum Realismus gehört gleich viel Materialismus wie Spiritualismus (ensprechend gehört gleich viel Phänomenalismus zum Realismus wie Dynamismus, und weiter gehört gleich viel Sensualismus zum Realismus wie Monadismus). Mit der Sich auf den Spiritualismus ist er im materialistisch behandelten Realismusproblem hingegen auslassend, und dafür gibt es das im Deutschen nie oder sehr selten gebrauchte Wort ‘omittierend’.
Das WAP zeigt Einseitigkeiten respektive Auslassungen auf, und wir bezeichnen dies als Omitation.
Weiteres
- Kategorien sind nicht mehr die z.T. individuelle Sache eines einzelnen Menschen. Möchte sich jemand spezialisieren, so wird dies um das Bewusstsein der ganzen Grösse des Rests getan, und nicht weil die existierbaren (möglichen) Kategorien so auf den Kopf gedreht werden, dass die Spezialisierung die Spitze von allem bildet. Die Übertreibung der Wichtigkeit der eigenen Spezialisierung nenne ich ich die ‘Exageration’.
- Sie geben den unterschiedlichsten inkompatiblen Spezialisierungen die Möglichkeit, einander sinnvoll zu kontrastieren. -> Delimitabilität (Abgrenzbarkeit)
- Die Unterschiedlichkeit aller Arten von (weltanschaulichen und regionalen) Sprachen wird vergleichbar, und es wird sichtbar, was nicht zu vereinigen ist. -> Kontrastabilität
- Antinomien (Antinomie ist ein Widerspruch aus zwei wahren Aussagen) sind nicht nur möglich sondern werden als Scheinwidersprüche notwendig. Alles ist in den WA irgendwo unvereinbar zu etwas anderem. -> Kompatibilität/Inkompatibilität
- Auf der anderen Seite findet sich zu allem Ähnlichkeit zu wieder anderem. -> Similarität
- Es wird ersichtlich was notwendig ist, um Arten von Wissen für bestimmte Anforderungen zu übersetzen. -> Translatabilität (Übersetzbarkeit)
- Es wird ersichtlich wo Wahres fehl am Platz, und nur dadurch unwahr ist
- Es wird ersichtlich, wie welche Konstriktionen für Allseitigkeit bestehen, und welche Konstriktionen durch Einseitigkeit oder Vereinseitigung entstehen
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