Die Ordnung, nach der die Weltanschauungen strukturiert sind, betrifft
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- Dutzend Weltanschauungen als ein Äusserstes,
- Drei plus vier Visibilitätsstufen (Weltanschauungsstimmungen nach Steiner) daran angrenzend, die jeder Weltanschauung eine von sieben Färbungen geben können,
- Drei Seelentöne, welche den 84 WA-VS-Kombinationen wiederum drei Färbungen geben können, und
- Der Anthropomorphismus, der den 252 WA-VS-ST-Kombinationen durch sein Vorhandensein oder Nichtvorhandensein wieder zwei Färbungen geben kann. Die Gesamtzahl abgrenzbarer Kombinationen, innerhalb des Systems der zwölf WA, beläuft sich damit auf 504.
In der Wirklichkeit lassen sich die Dinge nicht so sauber unterteilen, denn da werden Kombinationen vermischt, in ‘absoluter’ Weise angewendet (in anderen Worten: auch dort, wo sie nicht hingehören) oder nicht zu Ende gedacht und geformt.
Auch wenn es die Dinge komplexer macht, gehören die drei Seelentöne zum Klassifizierungssystem der zwölf WA, und so werden sie auch hier betrachtet. Die drei Seelentöne sind:
- Intuitismus
- Naturalismus
- Theismus
Als Erstes möchte ich den Theismus anschauen, und meine Gedanken dazu teilen, weil ich diesen vor den anderen beiden in etwas deutlicherer Weise zu erkennen meine.
Wir verwenden den Begriff Theismus im WA-System nicht nur als Gott, sondern generell als ‘das Höhere’, oder ‘das Höchste’. Dies ist angebracht, weil die WA ‘Pneumatismus‘ (=göttlicher Atem, wie durch die Weltreligionen bis zu einem Grad repräsentiert) für die Menschen der Vergangenheit eine grosse Wichtigkeit hatte, die von den anderen WA nicht gleich viel zuliess, wie es heute möglich ist. Für den Menschen der Gegenwart ist jedoch nicht mehr nur Gott als das Höchste möglich, es gibt noch eine Vielzahl anderer Götzen, durch die verschiedenen Wertvorstellungen all der WA, die nicht Pneumatismus heissen. Was sich auf das traditionelle Verständnis von Gott bezieht, geschieht für uns damit innerhalb des Pneumatismus, aber nicht notwendigerweise innerhalb des Theismus (denn es gibt für manche Menschen auch den durchaus gültigen Satz ‘des Göttlichen in mir’, das auf den Intuitismus zutrifft). Und umgekehrt: was sich auf ein Höchstes bezieht, geschieht für uns innerhalb des Theismus, aber nicht notwendigerweise innerhalb des Pneumatismus.
Ich möchte noch eine weitere Unterscheidung machen, und zwar zwischen Theismus und Religion. Der Pneumatismus betrifft das traditionelle, übersinnliche Verständnis des Göttlichen, wie es aus allen bisherigen Glaubenssystemen, von Pantheismus über Polytheismus bis zum Monotheismus, bekannt ist. Der Theismus unterscheidet sich vom Pneumatismus darin, dass er sich nicht auf allein geistige, übersinnliche ‘Götter’, wie die indischen, altgriechischen, römischen, usw beziehen muss, sondern er kann alles mögliche Höhere verehren und hochhalten. Ein theistischer Materialist z.B. sieht im endlosen Reichtum des Universums, mit den Sonnen, von denen es manchmal so viele gibt, dass sie einen ‘Nebel’ formen, den schwarzen Löchern, ja den Galaxien, etwas vor sich, dass für ihn zwar nur materiell ist, ihm aber dennoch ein Gefühl von etwas verleiht, das ihm von einer Grösse erzählt, gegen die er verschwindend klein ist. Das ist sein ‘Gott’, das ist Theismus für das WA-System, und nicht der tendentiell pneumatistische, häufig naive Glauben an einen überdimensionierten, durchsichtigen, allwissenden, weissbärtigen Menschen (wie sich viele ‘Gott’ leider vorstellen).
Und die Religion ist nun noch einmal ein anderes, denn sie hat eine praktische Aufgabe. Sie bildet einen Rahmen, innerhalb dessen die Menschen sich organisieren, interagieren, zum Teil gar denken können. In der Vergangenheit war Religion durch eine Nähe des Menschen zur übersinnlich-göttlichen Welt, die heute nicht mehr in gleicher Weise vorhanden ist, sehr durch den Pneumatismus geprägt.
Ich gebe Religion drei Aufgaben, oder besser: Charakteristiken, die aber, wie man sehen wird, auch von nicht-pneumatistischen WA, wie dem Idealismus, vertreten werden können.
- Absolutheitsanspruch
- Anleitung zur Form der Gesellschaft
- Ursprungserklärung, Existenzerklärung, Zukunftsutopie
Religionen, wie sie mit den abrahamitischen Weltreligionen Christentum, Judentum und Muslimentum vorhanden sind, sind nach dem theistischen Pneumatismus aufgebaut (und nicht nach dem Intuitismus oder Naturalismus, die in anderen Artikeln angeschaut werden). Die Christen, Juden und Muslime sind für sich persönlich zwar gleichsam Intuitisten, Naturalisten oder Theisten, aber ihre jeweilige Religion hat den Aufbau des Theismus, des höheren Äusseren – zumindest in den häufigsten Formen der jeweiligen Religionen. Es gibt jedoch überall auch weniger bekannte, intuitistische Lehren. Zwar verbindet man mit Religion das Übersinnliche, Übernatürliche, jenes schreibe ich jedoch dem Pneumatismus, und dessen direktesten nachbarschaftlichen WA zu. Der ursprüngliche Sinn, vom lateinischen relegere, als “die gewissenhafte Sorgfalt in der Beachtung von Vorzeichen und Vorschriften”, scheint mir auch auf einen auf alle WA ausgeweiteten Begriff von Religion anwendbar.
Noch einmal zusammenfassend: die Begriffe um die Worte ‘Gott’, ‘Religion’ und ‘Theismus’ müssen sich nicht auf das Übersinnliche, Geistige beziehen (können aber und werden zumeist). Der Begriff Pneumatismus behandelt hingegen nur Übersinnliches, wie es dem traditionellen Verständnis von Gott, Religion und Theismus entspricht.
So viel zu den Begriffen Pneumatismus, Theismus, Gott und Religion. Ich hoffe, die Abgrenzungen sind genügend verständlich. Nun also zu dem eigentlichen Gedanken.
Am Beispiel des Idealismus, spezifisch: dem Marxismus, mache ich den Vorschlag, dass der Begriff Religion so weit ausgeweitet werden sollte, dass er auf alle WA anwendbar ist. Denn der Marxismus hat alle Attribute einer Religion (auch die weniger guten). Allerdings ist er eher naturalistischer als theistischer Art. Er wendet
- den Idealismus auf andere WA an,
- gibt vor, wie sich die Gesellschaft organisieren sollte, und
- interpretiert Geschichte und Gegenwart in eigentümlicher Weise, und macht nicht falsifizierbare Vorhersagen.
Zum 1.: Die Anwendung des Idealismus auf den Materialismus, aber auch andere WA über den Sensualismus, Phänomenalismus bis hin zum Realismus, nennt sich der ‘dialektische Materialismus’. In diesem wird behauptet, dass Evolution nicht durch einfache Naturprozesse vor sich dahin geschehe, sondern durch Revolutionen ablaufe. Der Idealismus nimmt damit dort eine Rolle ein, wo eigentlich die WA des physisch Natürlichen das Sagen haben. Dort hat der Idealismus aber, so sehr ihm das auch zuwider sein mag, in der zweiten Reihe platz zu nehmen.
Zum 2.: Die Klassentheorie macht hier sehr viele Aussagen, wie eine Gesellschaft geordnet werden sollte. Es sind sehr gute Ideale, die in der Praxis bisher jedoch ihre Schwierigkeiten in der Umsetzung gehabt haben, die durch ihre Vernachlässigung des Realen auch weiterhin bestehen werden.
Zum 3.: Der Marxismus sagt, wie die Gesellschaft vom Feudalismus über den Kapitalismus über den Sozialismus irgendwann zum Kommunismus komme. Der Kommunismus ist hierbei die letzte, oberste Stufe. Diese Stufentheorie ist weder beweis- noch wiederlegbar, da sie noch nie in der Realität beobachtet werden konnte. Es gab die höheren Stufen noch nie. Selbst vom ‘Sozialismus’ sagen die meisten Sozialisten, dass dieser und jener fehlgeschlagene Versuch einer sozialistischen Gesellschaft kein echter Sozialismus war.
Dieser drei Punkte wegen bezeichne ich den Marxismus als eine Religion dem ausgeweiteten Sinne nach. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich die Weltreligionen dem Marxismus gleichsetze. Die Weltreligionen haben tiefe, wahre Mythen in sich, und haben sich durch unvorstellbar viel Erfahrung mit der Natur des Menschen herausgebildet. Sie sind etwas, das der Menschheit das Überleben fast garantieren kann, wenn man sich an ihre Regeln hält, sie sind etwas, das für die Gesellschaft funktioniert. Dennoch sind sie in der Sprache des Systems der zwölf WA für den individualistischer gewordenen Menschen ‘absolutistisch’, da sie dem Pneumatismus gegen die anderen WA den Vorzug geben. Dies ist heute nicht mehr in der gleichen Weise angebracht, wie in früherer Zeit vielleicht war. Dennoch sollte man viel Vorsicht walten lassen, für die Gegenwart angemessene, Wahrheit in sich tragende, Mythen zu schaffen. Der Marxismus ist gegen die Weltreligionen sehr jung, und er hat scheinbar keinerlei Ahnung davon, was die psychischen, auch gruppenpsychischen, Auswirkungen seiner Aussagen sind. Bisher waren die Auswirkungen marxistischer Ideologie gesellschaftlich teils verheerend.
Ich wage die Annahme, dass ähnlich ‘religionsartiges’ wie der Marxismus auch durch andere WA geschaffen werden könnte, von dem man sich noch überhaupt kein Bild machen kann, besonders dort, wo sich Ideologien einschleichen.