Die Teile der Kritiken-Serie:
- Kritiken-Serie 1: Moderne Naturwissenschaft
- Kritiken-Serie 2: Moderne Politik
- Kritiken-Serie 3: Philosophie der Gegenwart
- Kritiken-Serie 4: Medien
- Kritiken-Serie 5: Akademia
In diesem Artikel sei beschrieben, wie wirtschaftliches Denken mit der Philosophie unvereinbar ist, und wie wirschaftliche Handlungen in Kombination mit Philosophie die Philosophie untergraben. Weiter wird umschrieben, welche Abhängigkeiten der Philosophie widersprechen, und welche Bedingung sie voraussetzt.
Ich bin äusserst froh darüber, dass das Werk Steiners in kompletter Form frei erhältlich und zugänglich ist. Damit ist Steiner der ‘Exoteriker’, während die allermeisten anderen Denker eigentlich die Esoteriker sind, obwohl es gerne umgekehrt dargestellt wird.
Es ist dies, was die ‘Philosophie’ im Kern vom ‘Sophismus’ unterscheidet. Das Werk vieler Denker ist teuer und schwer erhältlich, und es schadet nachtäglich deren Mühen, sich zu Philosophen hinauf zu arbeiten. Sie werden spätestens nachtodlich zu Sophisten (der Sophist ist der selbsternannte ‘Weise’). Das Geld, das ich persönlich bisher ausgeben musste um die verschiedenen Werke zu erhalten, ist für meine Verhältnisse immens. Ich sollte nicht die Ersparnisse etlicher Monate aufgeben müssen, nur um den gründlicheren Gedanken der Geschichte folgen zu können. Gerade für den aber, von dem ich bisher am meisten gelesen habe, habe ich bisher am wenigsten ausgegeben (Steiner).
Sokrates sprach mit den Menschen, und er wanderte unter ihnen, aber er verkaufte nichts – er nahm im späteren Leben aber auch Spesen an, da er sonst gehungert hätte. Es gibt unterhaltsame Anekdoten die davon erzählen, wie Sokrates dort einen Stoizismus lehrt, wo es darum ging, wie sich seine Frau beschwerte, dass er nicht durch sein Steinhauerhandwerk Geld verdiene, und stattdessen lediglich barfuss herumliefe und mit den Leuten plaudere, und sie – seine Frau – alles selber machen müsse. Auch wenn die Geschichte vielleicht etwas zu günstig da zu passend scheint – hätte Sokrates für seine Dialoge Geld verlangt, wären vermutlich weniger Beschwerden von ihr gekommen. Von anderen antiken Philosophen, die anders als Sokrates selber Werke hinterliessen, weiss ich nicht, wie sie ihren Unterhalt bestritten.
Inhalt
Die sophistische Gegenwart
Die moderneren Philosophen hingegen schummeln sich in die Akademien hinein, wo sie für einen Lohn philosophieren – es sind sie damit allesamt Sophisten, da sie sich dabei Philosophen nennen. Wer aus einer Liebe zur Weisheit philosophiert, kann dafür kein Gehalt erhalten, sonst macht er es aus einer Liebe zum Gehalt (keine Unschuldsvermutung für diesen Fall). Ob dies verwerflich sei, oder ob es ausserhalb der Philosophie seine eigene Berechtigung hat, darüber möchte ich nicht urteilen, aber es ist nicht Philosophie was sie ausüben, denn Weisheit kommt nicht einfach auf, nur weil einer dafür bezahlt wird, weise zu sein. Philos und Finanz schliessen einander gegenseitig aus.
Die Naturwissenschaften haben recht, wenn sie sagen, die philosophischen Institute wären ein schlechter Scherz unter den Wissenschaften. Ein jeder verspürt irgendwo, dass bei den akademischen Philosophen etwas verkehrt ist, aber es ist nicht einfach zu bestimmen weshalb, weswegen der Anblick akademischer Philosophie stets etwas seltsam anmutet. Die Philosophie sollte nicht ihre eigenen Hallen haben, sondern unbeschämt durch die Hallen aller anderen Denkereien schlendern. Die anderen Wissenschaften haben in ihren herablassenden Sprüchen dabei durchaus recht, weil sich die akademischen Philosophen selber einen Namen geben, der ihnen nicht zusteht. Sie sind der Kasperli der sich selbst die Krone aufsetzt. Philosophie ist Arbeit, aber es ist keine Lohnarbeit. Der Lohn nimmt jedem Professor der Philosophie, und jedem sonstigen Salärphilosophen automatisch das Recht, sich Philosophe zu nennen. Sie mögen sich beliebig andersartig nennen, und dort von grösstem Nutzen sein, und sie mögen gerne ein komfortables Leben leben, aber sich selbst und einander gegenseitig zu Philosophen ernannt in die Philosophie einzureihen, dazu verlieren sie das Recht.
Den Menschen nichts andrehen zu wollen, nicht von ihrer Gutmütigkeit zu profitieren, ist etwas, das beizubehalten bestimmter persönlicher Opfer würdig ist. So gehört der Philosophe zwar in die Mitte der Akademien, aber dort hin unter den freien Himmel, als Putzmann, Gärtner oder dergleichen, nicht als Fakultätsmitglied. Er soll von anderen nicht angehört werden, weil er in einer Gesprächsrunde irgendwann einmal an der Reihe ist, da er auch ein Professor ist, sondern weil seine Sicht auf die Dinge mehr Tiefe und Einsicht hat, als die eines jeden anderen Denkers anderer Disziplinen. Weiter sind die Ansprüche der Philosophie zu grosse, um sich in deren Sinne um Universitätspolitik zu kümmern, und administratorische Papierberge dafür zu bewältigen, und Examen und dergleich philosophiewidrige Prozedere durchzuführen. Das aus dem Schulsystem gewohnte Testen von Wissen und Denken unter Zeitvorgaben ist schwerlich mit der Liebe zur Weisheit zu vereinigen. Weisheit benötigt Zeit, und damit benötigt die Philosophie einen liebevollen Umgang mit Zeit. Der gute Gedanke kommt aus sich im Menschen auf, und nicht weil eine Uhr tickt.
Bedingungen der Philosophie
Wir brauchen eigentlich jedoch kein Wort über die Philosophie der Gegenwart zu verlieren um zu wissen, wie es um die Philosophie der Gegenwart steht. Wir brauchen nur zu beschreiben, unter welchen Bedingungen Philosophie möglich wird, um in aller Deutlichkeit zu sehen, dass davon nichts auf die Philosophie der Gegenwart zutrifft, und dass damit in der Gegenwart keine Philosophie betrieben wird, sondern Sophisterei (der Handel mit ‘besitzbarem’, als Weisheit verkauftem Wissen). Welche Bedingungen ergeben sich also für den Menschen, damit dieser ein Philosophe werden und Philosophie betreiben kann?
Drei Dinge soll der Philosophe erfüllen: Er soll danach streben, die richtigen Fragen zum Verstehen von der Natur der Extreme, der Ideen und der Kategorien einer jeweiligen Gegenwart zu stellen, um dadurch zu helfen herzuleiten, aufzuzeigen und erklären zu können, wie sie sich zusammen setzt, wenn er danach gefragt wird, und er soll dies tun, ohne nach seinem eigenen Interesse irgendwohin zu leiten. Zweitens soll er schweigen können, wenn niemand ein offenes Ohr für seine Antwort hat, denn der Philosophe hat sich im Philosophieren nie zu beweisen, weder für andere noch zu sich selbst, und er muss auch nirgendwo angehören. Und schliesslich hat der Philosophe einen Weg zu finden, zu leben und zu überleben ohne dafür die Philosophie zu gebrauchen, denn er soll nicht von ihr abhängen.
Zur Weisheit ist ein bestimmtes Alter notwendig, und bis zu diesem gehört der lange Weg eines ernsthaften, stillen Studiums anderer Denker und eigener Eindrücke. So ist der mit Gewicht sprechende Philosophe einer, der sowohl das Leben in dessen ganzer Tiefe kennt, aber gleichwohl darüber hinaussehen kann. Auch wenn der Philosophe nur einfachste Arbeiten verrichtet – seine Gedanken kommen aus einer reichen Schule an Ideen, aus einer strengen geistigen Disziplin, und aus einer durch das Alter gewonnenen Ruhe, die es besser weiss, als jugendliche Neugierde mit Sprüchen zu füttern. Der Philosophe hat machtlos zu sein, oder zumindest ohne Machtausübung zu leben, er hat durch seine kräftigeren Jahre nicht-philosophisch für sein Brot zu arbeiten. Das bedeutet nicht, dass er später in Armut in einem Fass leben soll, sondern dass er die Kälte und Härte des gewöhnlichen Lebens am eigenen Leib erfahren haben und kennen sollte, um über sie in gerechter Weise sprechen zu können. Weder Reichtum noch Schmarotzertum sind dem über das Wirkliche und dessen Ausläufer sprechende Philosophe erstrebenswert.
Philos ≠ Handel
Es mag eine sehr einfache Sicht auf die Dinge sein, aber es ist nun einmal so, dass die Liebe, die Weisheit, und die Liebe zur Weisheit nicht mehr sind, wenn sie einmal getauscht anstatt geschenkt werden. Die Philosophie entsteht aus einer Liebe zur Weisheit, die trotz jeder Widrigkeit bestehen bleibt, sie entsteht nicht durch etwas, wie einen Handel mit der Weisheit, und sie kann auch nicht bestehen bleiben, wenn ein Handeln ins Spiel kommt, wo vorher keines war. Weil sie durch ihre Unendlichkeit bei Weitem die höchste und schwierigste aller geistigen Herausforderungen ist, kann keine Wissenschaft die Philosophie darin berühren, wie schwierig oder unmöglich es ist, sie zu meistern. Gerade durch ihre Höhe schwingt bei ihr aber die Gefahr mit, in den Gedanken den Boden unter den Füssen zu verlieren. Um dies zu vermeiden, ist die Angebundenheit an das reale Leben für Philosophen von grosser Wichtigkeit. Ihre Hürden sind also nicht nur ihre womöglich unerfüllbaren Ansprüche an die Reinheit und Ausgewogenheit ihres Denkens, sondern auch die zeitintensive Beschäftigung mit den vom Leben gegebenen Realitäten, die ein Gegengewicht und dadurch Gleichgewicht zu den hohen Gedanken bilden, und die Vorstellungen des Menschen nicht so einfach in das Nichts davonschweben lassen.
Philosophie hat, es wird hier wiederholt, trotz aller Widerstände zu überleben, und nicht durch irgendwelche, z.B. monatlichen oder jährlichen – Förderungen, die aus einer glücklichen Tradition oder Zwecks guten Eindrucks überwiesen werden. Jede systematische äussere Hilfe verwässert nur den Wert der Philosphie, und lässt sie langsam zuerst in der Form und danach im Wesen zu etwas Gewöhnlichem werden. Und das ist in einem Wort die Philosophie der Gegenwart: das Gewöhnliche.
Nun ist es jedoch nicht nur für die Philosophie schade, dass sie in der Gegenwart misrepräsentiert wird, es ist auch für die Gegenwart schade, dass in ihr keine Philosophie gekannt wird. Denn die Philosophie ist mehr als nur die schönste und höchste aller Disziplinen des Denkens, sie ist ein Wegweiser für alle anderen Disziplinen des Denkens. Ohne die Philosophie haben die anderen keine Richtung, keinen Sinn und keine echten Resultate. In der Serie zu Wissenschaft und Methode wird dies indirekt berührt.
Kommentare