Hürden der WA 2: Intellektualismus

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Es ist fast ein Verliebtsein in den Rationalismus, in der modernen, westlichen Welt. Je mehr mit dem reinen Verstand gedacht wird, desto besser muss ein Gedanke sein. Das symbolisiert der Charakter ‘Spock’ in der amerikanischen Serie ‘Star Trek’, in welcher der Rationalismus als ein hohes Ideal dargestellt wird. Auch in der akademischen Welt wird es hoch angesehen, wenn ein Mensch mit einem starken Verstandesdenken alles auf den kleinsten Nenner bringen kann. Es ist tatsächlich etwas Erstaunliches, wenn ein Mensch das kann. Und dieser Verstand baut auf sich selber auf, und wenn sich da viele Menschen beteiligen, so kann er sich bald einmal auch durch sich selbst belegen.

Hätte die moderne Wissenschaft nicht eine solche Anziehung zum Rationalismus, gäbe es wohl weniger Philosophen, welche noch immer den Ideen Kants nachhängen, als wäre direkt nach ihm nicht noch vieles, ähnlich Grosses gefolgt. Kant war mit seinen drei Hauptschriften (Kritik der praktischen und Kritik der reinen Vernunft, sowie Kritik der Urteilskraft) Teil einer Bewegung, die, abgesehen vom antiken Griechenland, möglicherweise zu einer der grössten geistigen Leistungen in der Geschichte der Menschheit geführt hat: der deutschen Metaphysik und dem deutschen Idealismus. Heute Kant zu verehren, ist jedoch wie zur Blütezeit der alten Römer den Lehrer des Sokrates zu studieren, anstatt Schüler dessen Schülers.

Die WA sind in sich stimmig, da findet sich, wer die Dinge in ganzer Tiefe erkennt, kein Widerspruch mehr. Es findet sich jedoch begrenzte Anwendbarkeit, und da, wo eine WA nicht mehr angebracht ist, da fällt ihre Logik, oder ihr Wissen, in sich zusammen. Nun gilt das auch für den Rationalismus, dass er mancherorts nicht angebracht ist. Er ist mehr als jede andere WA dort angebracht, wo technische Probleme gelöst werden wollen, weil Technik lineares, binäres, schnörkelloses Denken bevorzugt. Dieses Denken ist es, das erst all die industriellen Revolutionen hervorgebracht hat. Es ist der Grund, dass die Menschheit all die Dinge, von Mikroprozessortechnik über Nuklearenergie bis hin zu Satelliten, nutzen kann. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit von Rationalismus und Mathematizismus lassen sich deutlich erkennen. Mit all den direkten Beweisen der Wirksamkeit dieser WA haben die Menschen einen grossen, und auch berechtigten, Glauben in sie gesteckt.

So wird dann gerne geglaubt, dass das rationalistische Denken eine universelle Gültigkeit habe. Es wird gerne der hoffnungsvolle Glaube in dieses Denken hinein gegeben, dass, solange es genug Zeit hat um seine Wunder zu tun, es diese Wunder auch tue. Man hat die Hoffnung, dass der Mensch durch das Verstandesdenken eines Tages, weit in der Zukunft, zu einer Art physischer und technischer Omnipotenz kommt.

Das alles kommt aus dem Rationalismus, die Annahme, dass sich alles aus dem Denken schöpft, dass sich allein der Verstand dem wirklich Wahren annähern kann, dass alles andere weit davor irgendwo in die Irre gehen muss usw. Das ‘nicht auf dem Verstand Bauende’ nennt man dann Aberglauben, Frömmelei etc. All das Instinktive, Imaginative, Traditionelle, all diese Dinge sollten nach solcher Meinung weichen vor dem Verstand.

Für solche Annahmen ist dann auch Bedingung, dass es möglich ist, allein durch das Denken für all die anderen Dinge kompensieren zu können. Da muss angenommen werden, dass die Denker der Antike eben nur das waren: antik – auch im Denken, weil sie alles andere waren, als nur Rationalisten. Wirklicher (bis in die Gegenwart belegter) Rationalismus kam erst später, bei den Römern, und dann erst viel später wieder bei den Franken und den Deutschen. Und heute, in der Gegenwart, ist der Rationalismus bei den Amerikanern eingemietet. Damit, mit dieser Sicht auf die nicht rationalistischen Denker, kann man kaum einen Wert an jenem erkennen, das ausserhalb vom systematischen, überbewussten Denken ist. Und dadurch gehen viele Dinge verloren, denn all die Dinge, die wir tief in uns tragen, die sich vor Ewigkeiten über lange Zeit im Menschen entwickelt haben, die sind weit mehr als nur Hindernisse zur reinen Vernunft.

Das heisst nicht, dass man zurück ins Träumen versinken soll, aber man kann durchaus mit dem Bewusstsein auf jenes zugreifen, das nicht rein erdacht wurde. Es ist eines der Anliegen der Anthroposophie, mit einem klaren Bewusstsein sich an die Erkenntnis heran zu machen, aber es ist nicht ihr Anliegen, dies alleine durch das Denken zu tun.

Es ist nichts mehr als eine wilde Annahme, dass unsere kaum zum Vorschein kommenden, inneren Vorgänge ohne echte Gültigkeit sind. Die Psychonomie, welche die Gesetze der Psyche untersucht, wird eines Tages mit ihren Mitteln beweisen können, dass diese Annahme absolut falsch ist, dass wir durch unsere Geschichte durchaus tiefe, archetypische Wahrheiten mit uns führen. Dass die verborgenen Vorgänge in uns Dinge von grösster Wichtigkeit erzählen. Wahrheiten, welche all das vom Bewussten Erdachte womöglich gewaltig in den Schatten stellen.

Dort wo sich das Bewusste vom Unterbewussten beleben lassen kann, dort erst geschehen die wirklich interessanten Dinge. Wenn das Verstandesdenken seine eigene Grenzen erkennt, und auch erkennt, wo das Unterbewusste eine wichtige Rolle spielen sollte, kann das Denken irgendwann über seine jetzigen, selbst geschaffenen, Limiten hinaus.

All dies gesagt – der Rationalismus ist als WA überhaupt nicht schlechter als andere WA, aber genauso wie andere WA, gibt es viele Bereiche wo er nicht zu Klarheit, sondern eher zu Verwirrung führt. Können sich die Menschen von der Idee lösen, dass der Rationalismus, oder die Formen, in denen er sich zeigt, in vielen Bereichen nicht so nützlich ist, wie man gemeinhin annehmen mag, so können sie sich innerhalb der WA gewandter bewegen, und eher zu jenen Ideen finden, welche ihrem Wesen, ihrem ‘Ich’, auch wirklich entsprechen.

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