Es ist eine bestimmte Gesellschaft, welche für die Entwicklung der WA die Günstigste ist, es ist dies die ‘freie’. Ist die Gesellschaft nicht frei, so sind auch die Menschen nicht frei, und wenn die Menschen nicht frei sind, so ist auch ihr Denken nicht frei. Und zum Entwickeln der WA muss das Denken frei sein, es muss alle möglichen Fehler machen dürfen, um sich korrigieren zu können, es muss mit Absurditäten experimentieren können, ohne sogleich mit Spott und Hohn überhäuft zu werden. Es muss ein offener Dialog stattfinden, wo die Menschen lernen, Ideen durch Sprache zu entwickeln.
Wer nun denkt, die Demokratie sei die Form einer freien Gesellschaft, der irrt sich gewaltig. So werden die meisten wohl denken, die Demokratie sei zwar nicht ein absolut freies politisches System, aber doch eines, das sehr viel mehr Freiheit bietet, als die meisten anderen. Aber auch wer so denkt, irrt gewaltig. In diesem Artikel findet sich jedoch nicht die Alternative zur Demokratie, dies wird anderswo näher ausgeführt. Hier soll es nur um die Demokratie gehen, was sie genau ist, und welche Wirkungen sie auf den Menschen hat.
Politische Systeme
Nach Aristoteles gibt es ganz grob drei politische Systeme, mit einer jeweils guten, und einer abartigen Form. Jedes System gibt es somit in einer guten und in einer schlechten Form. Die Systeme sind die Monarchie-Tyrannis, Aristokratie-Oligarchie und Timokratie-Demokratie. Wir gehen nach diesem Schema von der Herrschaft des Einzelnen über die Wenigen hin zu den Vielen, oder gar Allen.
Monarchie setzt sich zusammen aus ‘monos‘ für Ein, und ‘archein‘ für herrschen. Tyrannis ist unverändert, es bedeutet das unumschränkte, willkürliche Herrschen. Aristorkratie setzt sich zusammen aus ‘aristos‘ für den oder die Besten, und ‘krátos‘ für Herrschaft. Oligarchie setzt sich zusammen aus ‘oligoi‘ für Wenige, und ‘krátos‘. Timokratie setzt sich zusammen aus ‘timé‘ für Schätzung, Ehre, und ‘krátos‘. Demokratie setzt sich zusammen aus ‘dḗmos‘ für Staatsvolk und ‘krátos‘.
Die abartige Form der Monarchie ist die Tyrannis, die abartige Form der Aristokratie ist die Oligarchie, und schliesslich ist die abartige Form der Timokratie die Demokratie. Das ist sehr anders, als die Dinge, die man in der Schule lernt. Die modernen Grundschulen lehren praktisch nur die platonischen Staatsbilder, und wie sie sich voneinander abgrenzen. Da wird im Prinzip wie in einer Linie gezeigt, wie das eine etwas schlimmer ist als das andere.
Allerdings sahen Platon wie auch Aristoteles bereits sterbende Formen einer ursprünglich guten Demokratie. Und was sie beschrieben, bezog sich darauf, was sie zu ihrer eigenen Zeit umgab. Vor den beiden fand sich eine sehr gut funktionierende Demokratie, da die allgemeine Bildung zu einer bestimmten Zeit in Griechendland eine Stufe erreichte, wie sie seither auf der ganzen Welt nicht mehr annähernd geschafft wurde. Ein weiterführender Link ganz unten am Artikel.
Die romanisierte (bürokratische) Demokratie
Warum wird in der Gegenwart nicht die Timokratie gelobt, sondern deren üble Form, die Demokratie? Der Lehrer des Aristoteles, Platon, bezeichnete die Timokratie in den im Werk ‘Der Staat’ (Politeia) zusammen gefassten Dialogen, eine der Verfallsformen der Aristokratie. Dieses von Atistoteles verschiedene, und auch frühere, Verständnis führte in der Folge zu verschiedenen Interpretationen unter den Menschen, die nach diesen zwei grossen Philosophen kamen. Aristoteles übertrug, was er an der Familie beobachtete, auf den Staat, Platon hingegen begann bei den Ideen, und ging von da dann zu den Beobachtungen. So stellte Platon zusammen, was ihm ähnliche Idee war, und er trennte voneinander ab, was ihm unterschiedliche Idee war. Aristoteles dann ging anders vor, er stellte zusammen, was ihm ähnliche Beobachtung war, und trennte voneinander ab, was ihm unterschiedliche Beobachtung war. In den politischen Ideen waren Platons Begriffe dadurch viel schwammiger, als führe ihm “wenige” und “Macht” auf ein Ähnliches zurück, während politische Systeme in Wirklichkeit, wie bei Aristoteles zu sehen, noch weiter differenziert werden können. Aristoteles übt in der Schrift ‘Politik’ (Politiká) Kritik an Platon. Diese Kritik ist in erstaunlicher Weise hochaktuell. Viele, die dem Sozialismus und dergleichen nachhängen, täten gut, einmal die ‘Politik’ zu lesen.
Als mit der französischen Revolution die Macht der “Wenigen” komplett in Verruf geriet, wurde auch die schöne Monarchie und die Aristokratie in den Topf der “wenigen Mächtigen” geworfen. Was verblieb war das Gegenpaar Timokratie-Demokratie. Die Timokratie ist die Macht der Eigentümer, jenen also, welche Besitz haben. Eine extreme Form davon kann man als Plutokratie bezeichnen, wo alleine die Wohlhabenden entscheiden (von Plutos, Reichtum). Im Behandeln des Werkes ‘Politik’ wird die Timokratie gerne als ‘Politie’ bezeichnet, was sich dann ungefähr in ‘Republik’ übersetzen lässt (vom lateinischen res publica, der öffentliche Sache). Und nun sind wir verblieben, wie nach einem Ausschlussverfahren, bei der abartigen Demokratie, die den Menschen auf ihre ganz eigene Weise erstickt. Die Demokratie nämlich wendet durch die ‘Bürokratie’ weit mehr Gewalt an, als alle anderen Systeme für sich genommen, aber sie macht dies gleichzeitig sehr viel subtiler. Aber nur weil die Gewalt abstrakt ist, und fast unsichtbar einverwoben in jeden Aspekt des Lebens, heisst es nicht, dass sie nicht da ist. Sie ist da, diese Gewalt, man sieht sie sofort, wenn man den Blick darauf richtet. Sie ist alles öffentliche Geschehen, alle Nachrichten, alle Rechtsprechung, alle Bildung, ein Grossteil allen Wirtschaftens, ein Grossteil allen Reisens. Wo einst Religion die Abschnitte des Lebens begleitete, muss die Religion dies nun mit dem bürokratischen Teil der Demokratie teilen.
Man braucht Ausweise, Zertifikate, Beglaubigungen, Bestätigungen, Urkunden für jede Entscheidung, welche nicht komplett irrelevant ist. Das politische Leben hat sich in jeden Aspekt des Lebens des modernen Menschen hinein geschlichen. Und man weiss davon nichts, wenn man nicht weiss, wie es anders sein könnte. Man stelle sich nur vor, wie es möglich ist, einen Balkon auszubauen, ohne dass einer in einem Stübchen dafür auf irgendein Blatt einen Stempel drücken muss. Man stelle sich nur vor, wie sowas möglich ist, ohne dass irgend eine dritte Person dafür involviert zu werden braucht. Es ist so selbstverständlich geworden, dass man für jede Sache ein Papierchen haben muss, wo irgendwas Bestätigendes drauf zu stehen hat, dass man sich all die Alternativen nicht mehr denken kann.
Man mag nun fragen, was denn daran so schlimm sei, wenn man halt einem Amt einen Brief schicken muss, um dann eine Bestätigung erhält, oder noch mehr Dinge nachschicken muss. Es mag für den einen oder anderen eine angenehme Sache sein, sich alles bestätigen zu lassen, die Idee zu haben, irgendwo immer abgesichert zu sein. Es gibt Menschen, die fühlen sich wohl dabei, wenn alles für sie vorgezeichnet ist, und sie nur die Farbstifte zu nehmen brauchen, auf dass sie all die kleinen Felder mit jeweils einer bestimmten Farbe ausfüllen dürfen. Aber es gibt Menschen, für die ist das das Allerschlimmste, alles vorgekaut zu kriegen, alles in dieser grauen Ordnung nach einem Schema zu erhalten.
Für all jene, für die das so ist, ist das abartig. Und mit solchen Menschen sind nicht Kunststudenten oder dergleichen gemeint, die sich ausgefallen anziehen, und mit einem klugen Text “gegen das System” demonstrieren gehen, während jeder andere arbeitet, um Rechnungen bezahlen zu können, die ihm langfristig weiteres Arbeiten erlauben (Arbeit um der Arbeit willen). Es sind damit jene Menschen gemeint, welche leiden, ohne zu verstehen, warum. Studenten, als Beispiel, unterscheiden sich stark von solchen Menschen, denn wenn Studenten demonstrieren, so tun sie dies kaum, weil sie nicht mithalten können, sondern weil sie eine Lebensweise, für die sie sich entschieden haben, verteidigen wollen. Ein Leiden, zu dem man sich entschieden hat, darf niemals mit einem Leiden gleichgesetzt werden, das einem Menschen wie eine Naturgewalt aufgezwungen wird, so sehr er sich auch verkrümmt, um davon zu kommen. Studenten sind Studenten, gerade weil sie sich an den Umständen anpassen können, nicht, weil sie mit dem Politischen inkompatibel sind. Und von diesen anderen, mit dem Politischen inkompatiblen Menschen, gibt es sehr viele. Menschen für die die persönliche Struktur einer Grossfamilie fehlt, und stattdessen diese Rolle durch die Politik ausgefüllt bekommen. Aber diese Politik kann sich nicht um den einzelnen Menschen kümmern, sie ist anonym, und unpersönlich. Das lässt die Menschen leiden, sie werden einsam, und viele von ihnen werden depressiv und nehmen Medikamente dagegen.
Die Ersatzfamilie Sozialstaat
Und das ist das Schlimme am Sozialstaat, er hält den Menschen dieses Bild vor, dass da etwas ist, das für sie da ist. Aber der Sozialstaat kann diese Rolle nicht erfüllen, es ist ein Staat, nicht eine Familie, dadurch ist er unpersönlich. Und so nett die Beamten auch sein wollen, und auf die Menschen eingehen wollen, und mit ihnen mitfühlen wollen, sie werden nie für all die einsamen, müden, durch Jahrzehnte der Einsamkeit ausgehöhlten Menschen diese persönliche Rolle, einem Familienmitglied entsprechend, einnehmen können. Vergrössert sich der Sozialstaat, so vergrössert sich auch der Wunsch der gewöhnlichen Menschen, darin das Unbenennbare zu finden, das ihnen so sehr zu fehlen scheint. Manche von ihnen werden bis zur Verzweiflung getrieben, und so werden sie irgendwann therapeutisch behandelt, als läge das Problem an ihnen. Wie soll ein Mensch denn funktionieren, wenn er ohne Rhythmus Nachtschichten arbeitet, keine sozialen Kontakte pflegt, keine konstruktiven Beschäftigungen nachgeht, für sich alleine Psychotrope, inklusive Medikamente, konsumiert, usw. Und was sie mitbringen, um einem solchen Leben zu begegnen, ist doch häufig schon zutiefst mangelhaft, wo doch so viele vom Fernseher erzogen wurden, und als Kind niemanden hatten, zu dem sie aufschauen und von dem sie lernen konnten. Es grenzt eigentlich an ein Wunder, wie viel die Menschen aushalten. Den Zusammenhalt jedenfalls, auf der Stufe der Grossfamilie oder in der kleinen Gemeinschaft, finden sie niemals im Politischen, und so geht es ihnen immer schlechter, und sie leiden auch darunter, nicht zu wissen, warum sie leiden. Es gibt doch keinen schlimmeren Anblick, als einen Menschen, der sich windet, und der sein eigenes Winden nicht begreifen kann. Solche Zerrissenheit ist für solche Menschen schwer auszuhalten.
Und weil es Menschen involviert, die diese dem Römischen ähnliche Welt nicht verstehen, oder damit nicht einverstanden sind, ist es schlimm. Und dort wo der Mensch mit dieser Welt des Politischen nicht einverstanden ist, und sich vielleicht sogar wehrt, zeigt die Demokratie ihre Fratze. Solange man alles hinnimmt, so absurd die Forderungen des Politischen auch sein mögen, mag alles in Ordnung sein. Und wenn sich ein anderer über diese oder jene Politik aufregt und wehren will, vielleicht weil ihm etwas untersagt wurde das ihm wichtig ist, aus einem bestimmten bürokratischen Grund, so wird man den vielleicht etwas mitleidig betrachten, und sich denken: “hätte er sich halt etwas gescheidter verhalten, wäre er jetzt nicht in solcher Wut”, und es wird einen weiter nicht betreffen. Bis es einen aber eines Tages doch betrifft, wenn ein politischer Unsinn kommt, und man selber gezwungen wird, etwas zu opfern, das man nicht opfern will, und dann wird man sich selber in der Situation finden, wo man sich enweder wehren muss, oder sich irgendwie damit arrangiert. Und weil die Gewalt in abertausenden, kleinen Häppchen geschieht, hat man selten einen wirklich guten Grund, sich offen zu wehren, weil der Kompromiss für die meisten Situationen der kleinere Schmerz sein wird.
Aber man ist noch immer in einem Käfig, wo mit Gittern alles abgesteckt ist, was das nicht Triviale betrifft. Was tut es zur Sache, wenn man am Wochenende die Freiheit hat, in den Ausgang zu gehen um literweise Alkohol in sich hinein zu schütten, während man zu jeder anderen Zeit mit dieser subtilen politischen Welt im Takt mitmarschiert? Es tut nichts zu Sache – die Freiheit fehlt da, wo sie viel wichtiger wäre. Das Politische redet dort in das Leben des Menschen hinein, wo die Freiheit am Wichtigsten ist, in der Bildung, in den Nachrichten, in der Karriere, im Einkommen, in den Feiertagen, in der Krankheit, im Eigenheim, im Verkehr, im Sport, in der eigenen Familie usw usf. Die Liste ist endlos.
Und das Absurde ist, dass es all das Politische – wirklich alles – nicht gebraucht, und die Menschen können sich das einfach nicht vorstellen, egal in welcher Sprache und wie oft und wie lange man das auch versucht zu beschreiben, es ist unvorstellbar. Es ist unmöglich, dass etwas funktionieren kann, ohne dass da einer in einem Stübchen sitzt, mit seinem Stempel. Ohne diesen Mann, dieses Stübchen, mit diesen Stempel, geht nichts. Ohne diese Trinität fällt die Welt aus den Fugen. So denken die Menschen wirklich – und das ist für die freien Menschen, einem Stirner z.B., das Unvorstellbare, wie man sich eine geordnete Welt ohne diese lächerliche, absolut redundante Trinität nicht vorstellen kann.
Sobald sich die Menschen in einer anderen Welt befinden, mit einem anderen System, mit anderen Regeln, so werden sie sich augenblicklich wieder anpassen können, und bald werden ihnen wieder die Vorstellungen abhanden gehen, wie die Dinge anders sein könnten. Und sie schultern wieder all die Dinge, die sie eigentlich nicht schultern sollten, die sie wegwerfen sollten, um frei gehen zu können. Vielleicht sollte bei der Bildung angesetzt werden, auf dass die Menschen in der Jugend lernen, dass es da noch andere Dinge gibt, als dieses Eine in dem man sich in dem Moment gerade befindet, und dass diese anderen Dinge, die noch da wären, manchmal funktioniert haben, und manchmal gescheitert sind, und dass man in der Gegenwart vermutlich nicht auf dem Gipfel der Menschheitsentwicklung sich befindet. Und vielleicht ist die Situation der Gegenwart sogar weitaus schlimmer, als viele der Alternativen.
Was auch immer die Gegenwart dem Menschen für Aufgaben gibt, die WA finden ihre Wege in die Welt. Und sind die Menschen mit sich selbst beschäftigt, weil sie die Problemstellungen der Aufgaben nicht verstehen, so werden sie leider nicht viel Zeit für die WA finden. Der Mensch ist jedoch mit den WA verbunden, und so finden sie dennoch ihren Weg in die Welt, so halt über allerlei Umwege. Ist die Demokratie einmal weg, und mit ihr die Ideen des Sozialstaates, so findet der Mensch eher noch in die Freiheit hinein, welche die WA für sich benötigen.
Demokratie ist in seiner schlimmen, repräsentativen Form das Gesetz der grösseren Masse, die erstens meint, dem Individuum sagen zu dürfen, was in dessen besten Interesse sei, und ihm zweitens dann meint befehlen zu dürfen, dass es unter Androhung von Strafe danach handeln müsse. Man sage mir, welches politische System auch nur vergleichbar schlimm für den denkenden Menschen sein kann, als das Machtsystem das den Willen der Menschen abstrahiert, und zu einer Art Staatswillen umformt. In der Tyrannei hat man wenigstens den Wahn des Tyrannen, den man als etwas Sonderbares abtun kann, als etwas, das sich vom normalen, gesunden Mitmenschen unterscheidet. Das Übel unter dem Tyrannen liegt auf dem Tyrannen. Man hat unter dem Tyrannen die Hoffnung, dereinst einen gleichmütigen, besonnenen Herrscher zu erhalten. Wie aber kann man eine Menschenliebe behalten, wenn alles Irrationale des jede Faser des öffentlichen Lebens berührende politische Zwingen, gerade systematisch vom Schnitt der Menschen um einen herum erstellt wird? Ist man nicht gezwungen, so ein tiefstes Grauen vor Menschen zu entwickeln?
Mehr zu echter Demokratie (jene mit Isonomie) findet sich hier: der Politikbegriff.