Arbeitet man auf dem Bau, so fällt einem nach einer gewissen Zeit auf, wie sich die modernen Häuser von den alten Gemäuern unterscheiden. Etwas, das mir z.B. beim Bohren von Durchbrüchen immer wieder auffällt, ist die unterschiedliche Dicke der Wände. Wir haben in der Firma dafür sogenannte ‘Kirchenbohrer’; das sind Spiralbohrer von 22 oder 28mm mit einem speziellen Stahl am vordersten Ende, der durch den Schlag der Maschine den ersten Kontakt mit dem Bauelement macht und es zerbröselt. Solche Bohrer können so lange sein wie ein Mensch. Man braucht sie für die manchmal enorm dicken Kirchenwände, oder sonstige Altbauten.
Moderne Gebäude haben, selbst wenn sie sehr hoch sind, erstaunlich dünne Wände. Dies ist dadurch möglich, dass der Beton durch Armierungseisen verstärkt wird. Legt man im Neubau ein, so werden vor dem Giessen des Betons auf den Boden und in die Wandverschalungen die Eisen verlegt, die dem gehärteten Beton zusätzlichen Halt geben, wodurch die Wände und Böden nicht mehr so dick sein müssen. Weiter können Böden/Decken viel einfacher flach gebaut werden, anstatt mit Bögen oder sonstigen Erhöhungen zur Mitte hin, die mehr vom Gewicht an die Wände abgeben. Bei älteren Bauten musste jede Wand und jeder Boden etwas dicker sein, als jene oder jener darüber. Heute giesst man nur noch das Fundament, also die unterste Ebene, ordentlich dick, damit der natürliche Boden darunter nicht durch eine schwächere Stelle nachgeben kann, und der Rest oben drüber wird so dünn wie möglich gebaut. Und bei Hochhäusern stellt man gewaltige Stahlträger auf, die den Zug auf den Beton zum Teil auf sich nehmen.
Das Problem mit dem Eisen ist, dass es rostet. Meistens ist das Eisen äusserlich schon korrodiert, während es vor dem Giessen des Beton gelegt oder gestellt wird. Besonders wenn es am regnen ist merkt man es, wenn man abends komplett orangene Hände und Unterarme hat. Und dieser Rost zerfrisst später innen drin den Beton, und schwächt ihn auf längere Zeit. Beton gibt immerzu etwas Feuchtigkeit ab, bis zur absoluten Verhärtung, und diese Feuchtigkeit wird durch Armierungseisen nicht zur Oberfläche abgegeben, sondern auch nach innen, zum Eisen hin, wo es zu einer chemischen Reaktion kommt, und dieser Rost, anders als Wasser, kann auch wieder mit dem Beton reagieren. Speziell im Tiefbau, wo im Winter manchmal Salz gestreut wird, reagieren die oftmals unbeschichteten Eisen sehr gerne, und der Beton hat keine Chance länger zu überleben. Deswegen sieht man Maurer immer wieder z.B. bei Brücken und anderen tragenden Führungen, gegossene Randsteine aufspitzen, um unbeschichtete, reagierende Eisen durch beschichtete auszuwechseln, oder zumindest eine Beschichtung an den schlimmsten Stellen anzufügen.
Verbaut man nur Beton, ohne Eisen, so kann man so bauen, wie es die alten Römer getan haben. Sie mussten sehr grosse Mengen an Material aufwenden, um die notwendige Statik zu erreichen, aber ihre Bauten halten dafür teilweise bis heute. Der Beton wird durch sein Alter immer härter, selbst wenn er stets von Nässe umgeben ist. So wird ihm mit der Zeit jede kleinste Erschütterung zur Gefahr, ob der er Risse entwickeln kann. Aber auch die unterschiedlichen Temperaturen verschiedener Jahreszeiten bringen ihn dazu, sich ein kleines bisschen auszudehnen und zusammenzuziehen, und auch solche Bewegungen führen zu Problemen wie Rissen, die mit dem Alter mit zunehmender Verhärtung, nur zunehmen. Da Eisen verbaut wird, nimmt die Lebenszeit moderner Bauten im Vergleich zu älteren stark ab, allerdings fällt es mir schwer, Studien zu finden, welche Aussagen darüber machen können, welches Alter man von mit Armierungseisen bewehrtem Beton ungefähr erwarten kann. Ich schätze, dass es nicht viel mehr als hundert Jahre sein kann, bis der Beton sich stückweise an dünneren Stellen bei Decken vom Eisen zu lösen beginnt. Dort wo der Abstand von Eisen zu Oberfläche besonders gering ist, wird die Schwerkraft bei zunehmender Korrosion schneller wirken, den Beton abblättern lassen, und dadurch die Armierung freilegen.
Das Ziel, möglichst effizient zu bauen, hat die Anforderungen an das Baumaterial sehr gesteigert. Am liebsten würde man nur noch dünnste Wände stellen, die alles halten und isolieren können. So mussten Materialwissenschaftler Materialien entwickeln, welche aggressiv genug waren, um solchen Anforderungen zu genügen, ein solches Material ist z.B. der Asbest, der bis heute vielen Bauherren im Umbau Probleme macht, weil er gesetzlich speziell entsorgt werden muss. Da man jedoch weiterhin Platz und Material sparen möchte, werden auch in Zukunft mit problematischen Kompromissen verbundene Materialien erfunden und verbaut werden müssen – der krebserregende Asbest war jedoch ein Weckruf an die meisten Bauingenieure, dass in der Auswahl von Materialien versteckte Risiken sein können, und zäher nicht immer gleich besser ist.
Es würde mich sehr interessieren, was Freimaurer zu solchen Bauproblemen denken. Sie studieren älteste Baugeschichte, und bewahren, sonst lange vergessenes, Ingenieurswissen auf. Würden sie unten einfach wieder breiter bauen, um nachhaltiger zu sein, oder gäbe es andere Lösungen, um modernen Ansprüchen entsprechen zu können?