In den Entwürfen zu Artikeln die hier noch nicht veröffentlicht wurden, finden sich etwa zehn Stück zum Thema des Spiegelns, der Projektion, wie wir sehen was wir sind, usw. Erst bei zweien fanden sich genügend gute Gedanken um die Idee der spiegelartigen Wahrnehmung von ‘Entwurf’ zu ‘Veröffentlicht’ zu ändern (Artikel zum Ich, Artikel zum Methodenspiegel), aber es ist mir noch nicht gelungen, ein Prinzip zu diesem Thema zu erstellen, unter dem herausgefunden werden kann, welche Kategorien dafür benötigt werden, und wie die so gefundenen Kategorien zum Thema dann geordnet werden sollten. Um aus dieser Blockade herauszukommen, ist wohl der Versuch angebracht, das Thema indirekt anzugehen.
Im Artikel zum “Gleichnis über Bienchen und Blümchen” findet sich ein Bild dazu, wie man sich das Polaritätspaar Rationalismus-Dynamismus aus der Sicht eines einseitigen Rationalismus vorstellen kann. An einem Gleichnis, in dem eigentlich der Dynamismus (sprich: die Natur) die Hauptrolle spielt, dabei aber vom Rationalismus übertönt wird, wird an einem Problem gezeigt wie es zum Versagen führt, wenn vehement darauf bestanden wird zur Lösung eines Dynamismusproblems den Rationalismus zu verwenden. Im Gleichnis werden drei gute Formen des Rationalismus (des Denkens) für ein dynamistisches Problem (in unserem Fall ein Problem der Natur) verwendet. Die Idee dabei ist es, zu zeigen dass es keine Rolle spielt wie gut die Form eines Lösungswegs ist, wenn die Form des Lösungswegs nicht zum Problem passt (Weltanschauungssprech: wenn die Anschauungsart nicht zum betreffenden Gebiet passt). Eine Lösung ist dann von vornherein ausgeschlossen.
Ich mache dafür vier naheliegende Sätze, und im Folgenden wollen wir untersuchen, ob sich diese durch das Gleichnis bewahrheiten:
- Eine Weltanschauung kann nur dort greifen, wo sie ihrer Aufgabe gleicht.
- Folglich: Eine im Guten wirksame Weltanschauung ist nur in einer Richtung zuhause, und lässt andernorts andere Weltanschauungen wirken.
- Folglich: Widerspricht eine Weltanschauung ihrer Aufgabe, kann sie die Aufgabe nicht erfüllen.
- Folglich: Eine Weltanschauung ist unmöglich gleichzeitig gültig und im Widerspruch zum Kern ihres Wesens.
Inhalt
Ein Vergleich um den Vergleich zu veranschaulichen
Das Denken, das nur über das (rationalistische) Denken zu der Erkenntnis kommen kann, dass in bestimmten Fällen das Denken selber das Problem ist, dreht sich in einem Kreis. Erst über eine andere Methode oder Weltanschauung kann das Denken davon befreit werden, sich endlos im Kreis drehen zu müssen. Das Befreien aus dem Kreis geschieht noch immer über das Denken – jedoch nicht mehr als Grundlage, sondern als Mittel. Stellen wir uns als Vergleich1 hierzu vor, es müssten mit Tinte auf Papier Essays dazu geschrieben werden, “wie zu viel Tinte für Essays vergeudet wird“. Was wird man in das Essay schreiben? Das einzig richtige abgegebene Blatt ist hier ein leeres, aber das leere Blatt enthält die Antwort trotzdem nicht, obwohl kein anderes richtiger sein kann und es weniger widersprüchlich ist, als der beste Text. Das leere Blatt kann noch viele andere Dinge behaupten, etwa: “Ich bin nicht zu einer Antwort fähig” oder “Was kümmert mich diese Frage”. Eine richtige und nützliche Antwort kann hierbei erst über ein anderes Medium kommen, das für Essays keine Tinte gebraucht. Man kann das Essay mit einem Bleistift schreiben, man kann es mit Kreide auf eine Schiefertafel schreiben usw., und so finden sich für diesen Vergleich mit dem Essay manche Auswege.
Beim Bienenrationalismus ist es komplizierter, denn beim Bienenrationalismus ist das Problem das Denken und die Unterstützung des Denkens durch das Schreiben, die Sprachlogik und all die anderen Dinge, die mit dem Rationalismus für gewöhnlich kommen, und es findet sich nicht so leicht ein Medium, das für die gegebene Problemstellung (Intellektualismus, oder: zu viel Denken) diese Dinge (Schrift, Sprache, Schliessen) ablösen kann. Man muss fast verstehen, wie das Weltanschauungsprinzip (WAP) den Rationalismus dem Dynamismus gegenüberstellt und wie nützlich diese Gegenüberstellung den Rationalismusbienchen wäre; welche Schlüsse diese Bienchen aus einer solchen Gegenüberstellung gewinnen könnten.
Der Dynamismus lässt sich nicht gut ‘verstehen’
(aber er lässt sich erfühlen)
Solche Gedanken gehen wohl an die Grenzen des Denkbaren, zumindest sind sie schwer direkt zu finden, und so ist es sehr unwahrscheinlich, dass solche Gedanken von jenen gedacht werden, die nicht die Zeit haben sich im Philosophieren bis an einen Punkt hinaus zu wagen, wo sich von sich aus kein logischer Halt mehr findet, wo nur prinzipielle Ideen über Polaritäten und dergleichen zu finden sind, zu denen sich kein Anhaltspunkt von sich aus bietet. Dort, wo über das Denken nachgedacht wird, wie z.B. im WAP über den Rationalismus nachgedacht wird, kann dies recht gut getan werden, denn das WAP gibt sehr klare und universelle Kategorien. Aber ohne das WAP, das den Rationalismus durch dessen Gegenpol definieren kann, das den Rationalismus weiter durch seine Nachbarn eingrenzen kann und dergleichen, ohne diese Hilfsmittel ist das Denken über die Grenzen des Denkens eine sehr schwierige Sache, die schnell zu Spiegelungen, Zirkelschlüssen, grundlosen Abstraktionen usw. führen kann. Aber selbst mit dem WAP gibt keinen Gedanken der vermögen wird praktisch darzustellen, wie sich das Gegenartige aus Polaritätspaaren im Speziellen zeigen könnte. Auch mit einem WAP ist das Denken allgemein noch nicht einfach, aber es zeichnet sich durch das WAP immerhin ein begehbarer(er) Weg ab. Die Gegenartikeit ist bei polaren Weltanschauungspaaren zu absolut, um im Speziellen (im Nicht-Allgemeinen) jegliche Vergleichbarkeit zu erlauben. Eine solche abstrakte Welt wie die des WAP mag uns hier zum Nützlichsten fähig sein, aber zu ihr zu kommen ist wohl schwieriger als man auf den ersten Blick vielleicht annehmen wird, wenn man sich mit den eigentlich einfachen Ideen des WAP einmal bekannt macht.
Die drei Bienengruppen hatten gute Formen des Denkens, und doch kamen weder ihre Denkarten noch die daraus folgenden Lösungen an das Problem heran. Im Gegenteil entfernten sie sich von der Lösung, je verbissener sie nach einer Lösung suchten, weil ihre Methode nicht nur zum Problem unpassend, sondern gegenartig war – wie in einem Traum, in dem man sich von einer wünschenswerten Sache entfernt, obwohl man Schritte in deren Richtung macht. Warum kommt keine von drei guten Denkformen bis zum Kern eines offenen Problems wie das unserer menschenhaften Bienchen? Weder die Suche nach tiefen Ursachen, noch das Studium der am besten Denkenden, noch das bewusst von Emotion und Handlungsdrang abgetrennte Denken (Stoizismus) führten zu Lösungen. Welches Denken hätte den rationalistischen Bienen dann helfen können?
Gar keines. Es gibt kein Denken, das die Bienen gerettet hätte, denn das Problem war nicht ein fehlerhaftes Denken, sondern das Vorhandensein von Denken überhaupt. Das Denken erst führte bei diesen Bienen zum Problem, denn es führte sie weg von ihrer ‘Natur’ (‘Natur‘ ist das Physische am weltlich Lebendigen, ‘Wesen‘ hingegen das Geistige am weltlich Lebendigen) und von der Natur an sich. Alles Leben dieser Welt ist mit der Welt verbunden; die Welt ist in allen Lebewesen in zutiefst materieller Weise vorhanden und spricht durch sie. Der Intellekt bedingt diese Verbindung aber nicht, er kann sich komplett von der Natur abspalten. Was die Bienen brauchten, war nicht der hohe Intellekt, sondern der gesunde Instinkt. Je höher sie den Intellekt hieften, desto grösser wurde die Kluft zwischen ihrem Denken und ihren einfachsten Instinkten.
Im praktischen Leben finden sich abertausende Beispiele wo eine Lösungsmethode dem Wesen eines Problems widerspricht, und dadurch keine Wahrheit widerspiegelnde Lösung gefunden werden kann.
Das Denken lässt sich nur verstehen
Das Denken kommt kaum von sich aus auf den Gedanken, dass es das Problem sein kann, denn solches Denken widerspricht sich selber: das Denken kann keinen wahren, grundlegendsten Schluss gegen sich selber machen, ohne dass es von Natur aus dem Schluss in grundlegender Weise widersprechen muss. Es ist nicht einfach über das Denken nachzudenken, und doch gibt es keinen anderen Weg zu ihm. Sich selber zu so widersprechen, dass infrage steht, ob es überhaupt wahre Schlüsse machen kann, bedeutet dem Denken entweder, dass dieser negative Schluss zum Denken falsch ist, oder dass der Schluss “das Denken kann keine wahren Schlüsse machen” wahr ist, aber keine Gültigkeit haben kann, weil der Schluss gegen das Schliessen an sich argumentiert. Kurz: es widerspricht dem Denken, sich selbst zu widersprechen, und so ist solcher Widerspruch im Denken zu widersinnig, um ernsthaft gemacht zu werden.
An dieser Stelle kommt alles zum Stopp, denn damit kann es keine Lösung geben. Das Denken ist, wenn es überhaupt etwas kann, gerade dazu ausgerichtet, Lösungen zu finden, oder mindestens zu suchen. Wer kommt schon auf die Idee, dass die Ursache eines Problems an einer solchen Stelle, so nahe an der Essenz des Problemelösens, zu finden sei?
Wenn das grundlegendste Mittel zur Lösung eines Problems entfernt wird, ist diese Lösung möglich. Wenn aber das grundlegendste Mittel zum Lösen überhaupt (etwa ‘das Denken’) entfernt wird, ist wohl überhaupt keine Lösung mehr möglich.
Mit Vergleichen kann aber dennoch gezeigt werden, wie sich eine einfache Logik innerhalb einer kompliziert scheinenden Problematik aufbaut. Und speziell das Weltanschauungsprinzip bietet uns sämtliche notwendige Kategorien, um jeden erdenklichen (und wie wir nun wissen auch nicht-erdenklichen) Widerspruch aufzulösen; das Denken selber teilt es z.B. unter anderen Dingen einem bestimmten Platz zu, der falsches Denken fast schon zu einer Schwierigkeit werden lässt. Auf das Weltanschauungsprinzip ist so sehr Verlass, dass nicht mehr Falschheit die Sorge ist, sondern möglicherweise entstehende Faulheit; denn es ist kein Aufwand mehr nötig, wenn einem das Wahre fast aufgedrängt wird.
Und nun kommen wir zur Krux, nach der ich, wie in der Einleitung erwähnt habe, in all den unfertigen Artikeln gesucht habe: es geht nicht darum, den Spiegel zu beschreiben, es geht nicht darum, die Projektion von der Rekursion und dergleichen abzugrenzen (obwohl sich flussabwärts irgendwann solche Unterscheidungen aufdrängen), sondern es geht um die Art der Manifestation. Was ich an mir in der Welt sehe ist nicht nur meine mir nahe ligende Ideenwelt, es sind auch Dinge, die mir tatsächlich ähnlich sind, und es sind weiter Dinge, auf die ich eine reale Wirkung habe. Und mit diesem Gedanken ist nun endlich etwas gefunden worden, mit dem ein notwendiges Unterprinzip in das Weltanschauungsprinzip eingebaut werden kann: die Manifestationsarten, die durch die Wechselwirkungen über verschiedene Ebenen, z.B. von Mensch zu Natur, oder von Weltarkade (die kosmische Entität hinter einer Weltanschauung, symbolisiert durch ein Tierkreiszeichen) zu Mensch usw. Es sind nicht Spiegel und Projektionen, es sind verschiedene reale Ebenen, die in realer oder phänomenaler Weise aufeinander wirken. Man kann es Spiegel und dergleichen nennen, aber dann bleibt man im Psychismus, in einem einseitigen Psychismus. Aus der Psychismus-Phänomenalismus-Polarität wird sich hier aber weit mehr finden und aufbauen lassen. Auf die vier Sätze ist damit praktisch überhaupt nicht eingegangen worden, aber es wurde etwas weit Wichtigeres entdeckt, und es wird sich noch einen Artikel für die vier Sätze finden. Auch über die Bienen ist wohl kaum etwas vertieft worden, das nicht schon mit wenig Anstrengung bereits während dem Lesen des Artikels mit dem Bienengleichnis herausgelesen werden kann. Das ist wohl das Wesen der Rubrik Kontemplation, dass die Schlüsse manchmal wenig mit einer ausgewählten Frage zu tun haben, und gerade die gedanklichen Abzweigungen erst das Interessanteste freilegen.