Dort, wo wir die Chrematistik in ihren Gesetzen untersuchen, sind wir in der ‘Chrematonomie’. Und dort wo wir die Ökonomik in ihren allgemeinen Gesetzen untersuchen, sind wir in der Ökonomie.
Wir haben gesehen, dass die Gesetze des einfachen Wirtschaftens, also Grundlagen der ‘Ökonomie’, nicht so einfach zu finden sind, wie man das vielleicht gerne hätte. Das Gleiche gilt für die Chrematonomie. Wenn es um Abstraktionen geht, und Geld ist nichts anderes als eine Abstraktion, geschieht es sehr schnell, dass man auf Irrwege kommt. Oder dann, dass man nicht die genauen Begriffe findet, und durch solche Ungenauigkeiten an wichtigen Gabelungen vorbei steuert. So muss man in solchen Sachen viel Sorgfalt walten lassen, und auf keinen Fall versuchen, sich darin zu beeilen.
Als erstes muss zum chrematonomischen Denken gesagt werden, dass die Mathematik nicht die Methode dazu ist, wenn man das Allgemeine dazu verstehen will. Mathematik ist für das Spezielle in der Chrematistik angebracht, aber wenn man das Übergreifende, die Gesetze, untersuchen will, also die Chremato-nomie, dann muss man es meiden, irgendwelche Formeln und Gleichungen zu verwenden. Dies, weil im Wirtschaften alles zusammen hängt. Jede Wirkung wirkt sich auf alles andere aus, selbst manche Grundgesetze, und dies verunmöglicht jede wahre Mathematik. Man mag denken, dass man Formeln gebrauchen muss, um Wirtschaftsvorgänge nachvollziehen zu können, um Voraussagen machen zu können, aber das ist ein grundfalscher Gedanke.
Jede kleinste Handlung wirkt sich in der Chrematonomie auf alles andere aus: kaufe ich für zwanzig Rappen einen Kaugummi, so wirkt sich dieser eine Kauf inflationär auf das gesamte Geldwesen aus, und auch wenn diese Wirkung fast unendlich klein ist, sie ist vorhanden. Viel Geld zu tauschen, ist für eine Währung dasselbe, wie wenn für sie Geld gedruckt wird. Und Geld zu horten, und nichts auszugeben, wirkt gleich, wie wenn innerhalb einer Währung Geld vernichtet wird. Diese Wirkungen sind vorhanden, und sie sind überall vorhanden, und es gibt noch viele weitere solche Wirkungen. Weil sich hier alles auf alles auswirkt, hat man ungeheure Komplexität, wenn man dafür Mathematik zu verwenden versucht. Jedenfalls ist dies der Fall, wenn man wahrheitsgetreu sein will, und nicht vage. Reicht es einem, ein ungefähres Modell für etwas zu haben, um es für eine bestimmte Sache zu gebrauchen, so hat man natürlich einen anderen Standard. Für Wissenschaft jedoch, müssen höhere Anforderungen gelten, und aus solchen mathematizistischen Gedanken resultierende Ungenauigkeit sollte man wenn möglich meiden.
So wird hier der Einwand kommen müssen, dass doch in den Wirtschaftswissenschaften überall Mathematik angewendet wird, um jeglichste Wirkung verstehen zu können, und dass diese Wissenschaft doch eine endlose Menge an Literatur zu ihren Themen verfasst hat, und dies alles oftmals mit Mathematik unterlegt. Dazu muss gesagt werden, dass davon das Meiste Selbsttäuschung ist, jedenfalls wenn es das Allgemeine, die tieferen Gesetzmässigkeiten, betrifft. Für das Spezielle, für bestimmte Momentaufnahmen, wie das Kalkulieren eines Risikos z.B., ist Mathematik nicht nur angebracht, dort ist sie durchaus notwendig. Es gibt sehr viele Beispiele, wo Mathematik gebraucht werden muss im Wirtschaften, aber das ist jenes, das sich auf die Praxis und das Spezielle bezieht. Die Mathematik hat jedoch für das Allgemeine, für die tiefen Gesetze des Wirtschaftens, überhaupt keine Sprache. Die gesamte Wirtschaftswissenschaft der Gegenwart ist ein einziger Schatten, in dem sich bestenfalls Ansätze zu Wahrheit finden, überall dort nämlich, wo im Allgemeinen auf den Mathematizismus verzichtet wird.
So ist der Dynamismus die angebrachte Alternative, er ist fast komplett immun für jedes Mathematisieren. Und das ist durchaus ein schwieriger Gedanke, dass da gerade etwas Allgemeines nicht zu der Mathematik passt, aber so ist es mit dem Wirtschaften. Es ist eigentlich ein grosser Widerspruch, dass der Mathematizismus beim Wirtschaftswissenschaftlern gerade nicht angebracht wird, wo es doch sonst immer die tiefste Eigenschaft des Mathematizismus ist, eben das Allgemeine zusammen zu fassen.
Findet man da zum Beispiel einen Zusammenhang, eine wirtschaftliche Tätigkeit, und eine wirtschaftliche Reaktion dazu, so ist die Versuchung da, dies in eine Formel zu stecken, die zwei in ein Verhältnis zu setzen. Das Problem hierbei ist jedoch, dass da noch unendlich viele kleinere, oftmals unsichtbare Wirkungen (und daraus Rückwirkungen) geschehen, welche ihrer Unendlichkeit wegen nicht in die Formel integriert werden können. Man kann da durchaus trotzdem zu einer Formel greifen, aber diese ist notwendigerweise ungenau. Man mag denken, dass ein bestimmter Grad an Ungenauigkeit vertretbar ist, weil man doch irgendwo beginnen müsse, aber dem ist nicht so. Denn es gibt im Wirtschaften immer auch okkulte Wirkungen, für welche es keine Möglichkeit gibt, sie direkt zu sehen. Und diese Wirkungen sind oftmals grösser, oder zumindest wichtiger, als das eigentlich Beobachtete. Das können psychologische Anreize sein, die da wirken, das können Wirkungen auf die grundlegendsten chrematonomischen Gesetze sein, das kann alles Mögliche sein, und für diese Dinge braucht es keine Mathematik.
Man kann dann zu möglichst kleinen wirtschaftlichen Handlungen gehen, und da in einem ‘Mikrokosmos’ Beobachtungen machen, um irgendwelche Formeln sich da auszudenken, wo sich die Komplexität für das mathematische Formulieren überschauen lässt. Das kann man durchaus machen, aber man kann es niemals übertragen auf eine grössere Dimension, weil da die Komplexität sich sofort verfielfacht. Und mikroksmische Wirtschaftstätigkeiten für sich alleine nützen nichts, wenn sie nicht in grösserer Dimension angewendet werden können, und so sollte man auch das sein lassen. Was kümmert es die Volkswirtschaft, wenn der Peter mit dem Hans einen Apfel gegen zwei Kartoffeln tauscht, und das dann im Verhältnis von Arbeit und Produkt in einem Bruch dargestellt wird, und wenn es hoch kommt, irgendwo noch mit einer Wurzel oder einer Potenz. Das kümmert einen nur, wenn es auf grössere Dimensionen anwendbar ist. Und es ist dort für die Suche tieferer Gesetze nicht anwendbar. Es ist fast unmöglich in einer Formel für einen grösseren Raum oder eine längere Zeitachse mit genügend Sicherheit anzuwenden, um ein Gesetz daraus heraus zu ziehen.
Was aber möglich ist, ist, die Sprache mit genügend Präzision zu gebrauchen. Die Sprache verträgt Verallgemeinerung viel besser als die Mathematik, zumindest wenn es um den Wirtschaftsdynamismus geht. Durchaus ist die Mathematik auch eine Art Sprache, aber die Mathematik kann nicht so mit dem Dynamismus umgehen, wie das die Sprache kann. Schafft man mathematische Formeln zu chrematonomischen Ideen anhand von Gesetzen, welche man durch die menschliche Sprache findet, so kommt man einer Berechtigung für Mathematik im Wirtschaften noch am nächsten. Aber das bedeutet, dass man dann Mathematik um der Mathematik wegen hat, nicht weil es mehr Nutzen hat. Und so bleibt man doch besser gleich bei der Sprache.
Dass die Mathematik die bevorzugte WA ist für all die Wirtschaftswissenschaftler, hat das allgemeine Verständnis, um die wirklichen wirtschaftlichen Vorgänge, weit hinter der Wirklichkeit zurück gelassen. Da geschehen Dinge im Schattenbankensystem mit den komplexesten Derivaten, Dinge, die so vielschichtig sind, dass einzelner Mensch sie kaum noch überschauen oder auch nur verstehen kann. Und die Wirtschaftswissenschaft knübelt da unterdessen an irgendwelchen Formeln diskreter Mathematik herum, und begreift absolut gar nichts von dieser Dynamik, schon nur weil sie den Begriff ‘Geld’ mit der Existenz unzähliger Formen an Derivaten nicht quantifizieren kann. Es sind wie zwei Welten, die voneinander abgespaltet sind, obwohl sie eng zusammen hängen sollten. Und wenn da wieder Dinge geschehen, die komplett überraschen, so drückt man ein bisschen an der Formel herum, um wieder etwas zu haben, das mit den Geschehnissen so ungefähr überein stimmt, und von den tieferen Mechanismen wird weiterhin überhaupt nichts verstanden. Und wenn da einmal irgend ein gescheidter Nationalbanker kommt, und allen vorspielt, er verstünde irgendwas (z.B. ein John M. Keynes), so stehen alle mit staunenden Blicken da, und hören zu, wie die komplexen Formeln dieses Mannes irgendwas erklären sollten. Und diese Menschen sind wirklich gescheidt, da ist manchmal echte Hochbegabung, aber sie ist am falschen Platz, oder zumindest mit der falschen Methode.
Und keiner weiss, dass solche mathematizistische Methode fast im kompletten Widerspruch zum eigentlichen Thema steht. So mögen diese Formeln zu erklären versuchen, was soeben geschehen ist, aber sie stellen überhaupt keine tiefere Gesetzmässigkeiten dar. Man sollte versuchen in der höheren Wissenschaft davon wegzukommen, die Anwendbarkeit im Vordergrund zu haben, und stattdessen versuchen, die tieferen Gesetzmässigkeiten zu begreifen. Mit der Anwendbarkeit kommt man schnell in allerlei Täuschungen hinein, weil Dinge aus ganz anderen Gründen systematisch funktionieren können, als man denkt. Der Spruch “die Ausnahme ist die Regel” trifft dort zu, wo man die wirkliche Gesetzmässigkeit noch nicht gefunden hat.
Vielleicht liegt der Irrtum der Verwendung der Mathematik darin begründet, dass man aus einer Verzweiflung heraus mit dem reinen Verstandesdenken diese unvorhersehbare Wirtschaft zu begreifen versucht, um sich mit ähnlich schwer überschaubaren Formeln zu beruhigen. Vielleicht liegt der Irrtum auch darin, dass man mit dem Geld immer mit Zahlen zu tun hat, und dies doch so nah an der Mathematik liegt.
Ein weiser, der Menschheit zu wenig bekannter, Lehrer sagte einst, dass “man besser auf ein Feld ginge Kartoffeln graben, als irgendwo in der Mathematik vor dem Wirklichen zu fliehen”. Das ist ganz besonders für das Wirtschaften wahr. “Man sollte besser auf dem Kartoffelfeld eine Wurzel ziehen, als in der weltfremden Formel”. Man sollte besser den Boden unter den Füssen spüren, als irgendwohin zu entfliehen.
Versuchen wir, in die Chrematonomie einzusteigen, so müssen wir uns dieser Tatsache akut bewusst sein: dass in den WA die Mathematik die Opposition des Monadismus ist, und der Monadismus wiederum als der direkte Nachbar des Dynamismus vor uns steht. Man hat mit Mathematizismus und Dynamismus also fast einen Gegensatz. Der wirkliche Gegensatz des Dynamismus ist der Rationalismus, und vom Rationalismus hat es auch viel in den Wirtschaftswissenschaften. Mit dem Rationalismus hat man dann wirklich eine polare Opposition zum Dynamismus.
Der 6. Artikel dieser Serie, der die Frage der Chrematistik auflösen soll, ist seit einiger Zeit in Arbeit, aber er ist noch mangelhaft, und voller Ungenauigkeiten. Es ist noch nicht abzusehen, wann (oder ob jemals) er bereit ist für eine Veröffentlichung.
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