Es wurden im letzten Artikel viele Begriffe des Wirtschaftens auf einmal verwendet, es ist zu hoffen, dass es dennoch verständlich blieb. Wir haben gesehen, wie das Schattenbankensystem wirkt, und nun wollen wir sehen, wie sich das denn zum Dynamismus verhält – was ja ein ursprüngliches Ziel dieser Artikelserie war.
Wie ein Damm quer durch einen Bergbach, sollte der Rationalismus Ordnung bringen, und wie das Wasser versuchte der Dynamismus dies geschickt zu umgehen. Und der Dynamismus, der mit dem relativ freien Markt der westlichen Welt eine grosse Kraft anführt, hatte viel Erfolg darin, Effizienz freizusetzen. Aber was er bewirkte, wurde nicht nur von Menschen bewertet, welche sich im Dynamismus bewegen, er wurde auch von allen anderen betrachtet und bewertet. Von manchen wurde er missverstanden, von anderen wurde er aus verschiedenen Gründen als eine Gefahr angesehen. Das schwer Berechenbare am Dynamismus hat für so manchen etwas Bedrohliches an sich, und viele Rationalisten in politischen Ämtern sahen diese Bedrohung als sehr unmittelbar. So kamen Amtsträger und Entscheidungsträger in Amerika zusammen, und man beschloss, Mechanismen im Markt einzuführen, um den Dynamismus zu zähmen. In Japan hatte man schon experimentiert mit solchen Mechanismen, und diese Experimente dienten den Amerikanern als Vorbild. Der Dynamismus, der in den Augen dieser Rationalisten wirkte, wie eine sich beschleunigende, anwachsende Walze die alles zermalmte, das unter sie kam, sollte durch verschiedene Massnahmen gebändigt werden. Die Nationalbanken anderer Länder folgten dann der amerikanischen Nationalbank.
Als erstes wollte man die Krisen, welche durch den Dynamismus des ungebändigten Marktes immer wieder auftraten, abschwächen. Man wollte, dass diese Krisen weniger Schaden anrichteten. Es flösste den Entscheidungsträgern grosse Angst ein, dass ganze Länder, alleine durch das Geschehen am Markt, durch grosse, grundlegende Krisen gehen konnten, und im Willen, das Leid, das durch solche Krisen entstand, abzumildern, etwas abzufedern, half man sogenannten Nationalbanken, oder Zentralbanken, gegen diese Krisen zu wirken. Man wollte die Möglichkeit haben, Dinge wie Arbeitslosigkeit, Verringerung des Lebensstandards usw, zu einem Grad kontrollieren zu können, damit die Menschen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht so sehr leiden mussten. Man identifizierte Dinge wie Deflation oder steigende Zinssätze als Grundprobleme von Krisen, und man schuf Mittel dagegen: z.B sollte jedes Jahr eine bestimmte Inflation erreicht werden, oder in der Krise sollte ein tieferer ‘Leitzins’ dem Konsum helfen, damit der Markt nicht in eine Abwärtsspirale gerät usw. Ein tiefer Leitzins bewirkt z.B. einen günstigeren Zins für jene, die eine Hypotheke für ein Haus abschliessen.
Was der Rationalismus nicht sah, war, dass der eingeschränkte Dynamismus dadurch nicht nur gebändigt wurde, sondern auch in Probleme geriet, für welche derselbe Dynamismus aus einer Notwendigkeit heraus leider Lösungen fand, welche selber schon Probleme waren. Gleichzeitig wuchs der Dynamismus an, mit all der Unterstützung der Politik, für die Rettung allerlei ums Überleben ringender Firmen und Banken, durch das Verhindern einer Korrektur des exzessiven Marktes. Der Handlungsspielraum des Dynamismus wurde durch diese Massnahmen eingeschränkt, und er hatte im Markt, wo er seiner Natur nach einfach ein Vorrecht zu wirken hat, nicht mehr wirken können, wie er sollte. Der Markt ist seiner Natur nach dynamistisch, nicht rationalistisch.
Es ist für den Dynamismus eine wichtige Sache, in gleichem Masse das Gute wie das Schlechte zu durchleben. Die Buchhaltung hat beide Seiten zur selben Zeit, beim eigentlichen Markt, beim Dynamismus, folgen diese Dinge nacheinander. Wenn der Markt zu sehr nach oben strebt, muss er nach den Gesetzen des Dynamismus irgendwann auch wieder in die Tiefe sinken. Wenn der Markt ein bisschen nach oben strebt, muss er danach ein bisschen in die Tiefe sinken usw. Wenn der Markt stagniert, so geschieht nicht mehr viel, so ist er halt in einer Art Koma.
Wenn der Markt jedoch durch die Massnahmen von Nationalbankenpolitik Jahr für Jahr nach oben gedrückt wird, so erzwingt man Folgendes: man drängt nach und nach den Dynamismus aus dem Markt und nimmt damit dem Markt viele Möglichkeiten weg. Und so wird irgendwann überhaupt kein natürliches Wachstum mehr geschehen, und die drohende Krise wird anwachsen und anwachsen, bis sie nicht mehr zurück gehalten werden kann.
Ohne tiefer auf die Gründe einzugehen, muss man hier die Wirtschaftskrise von 2008 erwähnen. In diesem Jahr gab es einen Kollaps des Marktes, und die Nationalbanken sprangen ein. Wäre die Politik nicht eingeschritten, so wäre die Krise mit grosser Wahrscheinlichkeit durchaus noch viel schlimmer geworden. Die Politik schritt jedoch ein, und die Investitionen, welche riskant waren, mussten durch diese Entscheidung von der Allgemeinheit übernommen werden. Es gab durch dieses Einschreiten eine Art Transfer von Risiken. Die Politik hatte abzuwägen, was für die Allgemeinheit schlimmer wäre: die Risiken der Banken zu übernehmen, oder die Folgen daraus, wenn die Banken insolvent geworden wären. Daraus entstand dann der Begriff ‘systemrelevant’, und die Banken mussten von nun an einen Prozentsatz ihres Umsatzes als Reserven auf der Seite haben. Man möchte dadurch bis heute verhindern, dass die Banken in schwierigen Zeiten einfach mit leeren Händen dastehen, um dann gerettet zu werden. Dies hat dann wiederum Implikationen für die Liquidität der Banken.
Ein Nichteinschreiten der Nationalbanken hätte jedoch einen sehr wichtigen Vorteil gehabt: diejenigen Papiere, oder eben leeren Nummern, welche wenig intrinsichen, also eigenen, Wert hatten, wären durch die Krise mit ihrem wahren Wert bewertet worden. Der Markt hätte sich von den schlechten Papierprodukten trennen können. Wenn der Markt durch knappe Mittel gestresst wird, zeichnet sich ab, welche Produkte eigentlich weniger Wert haben, als man dachte. Eine wirtschaftliche Krise ist eine Art Säuberung von Produkten, welche überschätzt, überbewertet wurden. Sobald kein Überfluss mehr vorhanden ist, werden die mangelhaften Investitionen nicht mehr von den tollen Dingen, welche sie umgeben, mitgezogen. Ein solcher Frühlingsputz verhilft dem Markt, die wahren Preise zu erkennen. Die Preise gehen in einer Krise meist tiefer als sie sollten, aber dass gerade etwas übertrieben wird im Verkaufen von allerlei Dingen, ermöglicht, dass wirklich nur die wirklich profitablen Produkte und Ideen überleben. Diese ‘Säuberung’ ist für den Markt also eine Notwendigkeit zur Preisbestimmung.
Der Rationalismus gedachte in bester Absicht zu helfen, aber schuf dabei den Nährboden für noch viel grössere Probleme in der Zukunft. Diese Probleme werden kommen, weil diese schon damals überfällige Säuberung von Schundpapieren, durch die Nationalbanken gestoppt wurde.
All die Papiere, welche in 2008 gerettet wurden, allen voran die Hypothekarderivate, mit denen auf den Kauf und das erfolgreiche Abbezahlen von unzähligen Eigenheimen gewettet wurde, finden sich noch heute in Umlauf, oder im Besitz des Staates. Es waren nichts weniger als ‘Wetten auf den amerikanischen Traum’. Und diese Wetten wurden damals allesamt verloren. Und sie sind nicht einfach da liegen geblieben, wo sie vor 2008 waren, sie haben danach wie ein fauler Apfel noch viele andere, eigentlich gute Produkte angesteckt.
Dem Markt fällt es dadurch heute sehr schwer, zu unterscheiden, zwischen wertvoll, und praktisch wertlos. Es fällt dem Markt heute generell sehr schwer, den Wert von Papieren einzuschätzen. Dadurch ist es für viele Teilnehmer schwierig geworden, so zu investieren, wie sie wollen. Ist das Investitionsziel z.B. “ein bestimmtes Risiko über eine bestimmte Zeit”, so ist es heute alles andere als einfach, die dafür passenden Papiere zu finden. Wenn nicht mehr eingeschätzt werden kann, was wie viel Wert in sich birgt, so wird fast automatisch anders als beabsichtigt investiert. Und kommt dann ein Ereignis mit dem man nicht rechnet, das dann Risiken offenbart, so wird der Kollaps viel schlimmer, als wenn hohe Risiken richtig eingeschätzt worden wären.
Gegenwärtig beschleunigt sich die Expansion des Rationalismus in den Markt hinein durch das Stillegen des Marktes wegen des Koronavirus, und all der Hilfsmassnahmen, und gleichzeitig beschleunigt sich auch die Verdrängung des Dynamismus aus dem Markt heraus.
Irgendwann findet der Dynamismus zurück in den Markt, einfach weil er da hingehört. Es ist nicht möglich, einen sehr hohen Lebensstandard mit einem rationalistischen Markt zu vereinigen, auch nicht mit exzessivem Ausleihen aus der Zukunft. Es kommt eine Zeit, wo die Realität ein Equilibrium, einen Ausgleich, findet, wo sich für eine jede Übertreibung auf der langen Zeitachse von Völkern und Nationen ein Gegensatz bildet. Über längere Zeit über den Verhältnissen zu leben rächt sich eines Tages, und je länger übertrieben wird, desto schlimmer diese Rache. Wenn der Dynamismus zurück findet, so wird er kommen wie eine Naturgewalt. Alles was keine Berechtigung in der Höhe hat, wird er kraftvoll in die Tiefe reissen. Und weil der faule Apfel nach und nach nun auch alle guten Äpfel kontaminiert hat, wird der Dynamismus keinen grossen Unterschied mehr machen, zwischen gut und schlecht.
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