Dynamismus und Wirtschaftsrätsel 1: Chrematistik

Diese Artikelserie untersucht die Zusammenhänge zwischen der WA des Dynamismus, und all jenen wichtigsten Gegenwartsfragen, welche wirtschaftliches Denken und Handeln betreffen. Diese Serie ist durch steiner’sches Denken inspiriert.

Im Verlaufe der Serie wird auf Buchhaltung eingegangen, und so werden verschiedene Instrumente des Wirtschaftens beschrieben. Man soll jedoch nicht denken, dass sich hier auch nur annähernd Vollständigkeit findet. Begriffe wie Volatilität, Kollateral, Shorting, Swaps, Treasury Auction, und all die anderen Dinge, welche direkt verknüpft sind mit dem Geldwesen, werden hier nicht erwähnt. Das Ziel ist mit dieser Serie somit nicht, die Komplexität des gegenwärtigen Geldsystems und Wirtschaftens vereinfacht darzustellen, sondern hinzuweisen, welches ungefähre Ausmass sie hat.

Als erstes interessiert uns der Dynamismus noch nicht, wir wollen stattdessen erste ökonomische Grundlagen aufführen, dann wollen wir kurz die Haltung der Anthroposophie zu Wirtschaftsfragen anschauen, dann, in einem folgenden Artikel, die Probleme der Wirtschaftswissenschaften der Gegenwart, dann, in einem dritten Artikel, was Schattenbanken sind. Dann wollen wir sehen, wie sich die rationalistische Methodik von der dynamistischen unterscheidet, und wie sich die beiden zum Wirtschaften verhalten. Zuletzt dann kommen wir wieder zurück zu der Frage der Chrematistik und der Ökonomik, die auch hier im ersten Artikel berührt wird. Dieser letzte Artikel wird jedoch noch für einige Zeit in Bearbeitung sein, bis andere Projekte zu einem Schluss gefunden haben.

In den alten, aristotelischen Hinterlassenschaften, wo das Wirtschaften in zwei grundlegende Bereiche unterteilt wird, findet sich das ‘natürliche’ und das ‘widernatürliche’ Wirtschaften. Das natürliche Wirtschaften wird als Ökonomik, und das widernatürliche als Chrematistik bezeichnet. Die Ökonomik leitet sich von ‘Oikos’, also ‘Haus’, ab, und betrifft als erstes die Hauswirtschaft, kann von da aber weiter ausgebaut werden. Sie beschreibt das wirtschaftliche Denken und Handeln mit den Mitteln, die man braucht für das Leben. Die Ökonomik handelt von den Notwendigkeiten. Die Chrematistik hingegen dreht sich um den Erwerb von Gütern, oder anders: das Wirtschaften des Wirtschaftens wegen. Die Chrematistik dreht sich um das Geld, nicht um das vom Geld Repräsentierte. Sie dreht sich nicht um die eigentlichen Güter, sondern um die Abstraktionen davon.

Diese aristotelischen Begriffe haben durchaus Gültigkeit. Die Chrematistik ist, was sowohl die füheren, wie auch die modernen idealistischen Bewegungen zutiefst missbilligen, ohne jedoch diese ursprünglich Unterscheidung zu machen. Was die idealistischen, sozialen Bewegungen möchten, ist eine Ökonomik nach der ursprünglichen Definition, also ein Wirtschaften rund um Notwendigkeit, nicht eines rund um Vermehrung und Anreicherung.

Es ist, wenn man mit sich ehrlich ist, eigentlich ein Widerspruch dies zu wollen, weil man dadurch gleich auch weniger Mittel hat, und sich mehr gewöhnliche Arbeit aufbürdet. Man büsst mit einer einfacheren Volkswirtschaft bald etwas an Wohlstand ein, weil mit der Zeit auf einige Hilfsmittel, wie bestimmte technische Haushaltsgeräte, verzichtet werden muss, da diese ihre jeweiligen Kosten mit sich tragen. Aber es ist ein positivistischer Instinkt, der dem menschlichen Leben durchaus Sinn gibt. Man baut sich im Prinzip selber eigene, kleine Hürden, um ein sinnvolles, vielleicht bodennäheres Leben leben zu können – ein Leben, in dem man gewisse verständliche Widerstände erleben und überwinden kann.

Es ist ein sehr guter Instinkt, er gründet sich in etwas sehr Wahrem. Aber die Erkenntnis gründet sich nicht in etwas Wahrem, da ist nur dieses fast instinkthafte, versteckte Werturteil darüber, wie das Wirtschaften sein sollte, nicht wie sie ist. Und alle Erkenntnis die darauf aufbaut, hat entsprechende kleine Falschheiten in sich. So gut die sozialen Instinkte als eine Sache auch sein mögen, sie haben ihre Gefahren, wie durch die Menschheitsgeschichte zu sehen ist. Und so ist es eine gleichsam gute Sache, etwas mehr Erkenntnis in das Thema hinein zu bringen.

Wir wollen in diesem Artikel, und vielleicht auch den Folgenden, diese zwei vermischten Dinge, die Ökonomik und die Chrematistik, etwas voneinander abtrennen, und versuchen zu verstehen, was das Wirtschaften der Moderne wirklich ist, ohne sogleich zu einem Werturteil zu springen. Werturteile können zum Schluss kommen, wenn wir besser wissen, was Sache ist. Wenn aber das Werturteil schon von Beginn weg da ist, so wird man es nie bis zur eigentlichen Sache hin schaffen.

So sollte man verstehen, wie sich die Gesetze des Wirtschaftens tatsächlich verhalten, um dadurch mit etwas arbeiten zu können, das etwas Wahres wiedergibt. Die Gesetze des Wirtschaftens werden in der ‘Ökonomie’ zusammengefasst. Was ‘Oikos’ ist, wurde bereits erwähnt, es ist das ‘Haus’, ‘Nomos’ ist der altgriechische Begriff für ‘Gesetz’. So wollen wir hier ein Werturteil bis zum Schluss vermeiden, und stattdessen schauen, was solche Gesetze des Wirtschaftens sind.

Diese Gesetze des Wirtschaftens wurden schon vor einem guten Jahrhundert von der ‘österreichischen Schule der Ökonomie’, bis in die Gegenwart hinein, untersucht. Diese Schule möchte grösstmögliche ökonomische Freiheit für das Individuum, aber sie untersucht leider nicht, was dies für ungewollte Auswirkungen für eine Gesellschaft haben kann. Tiefer gehende philosophische Fragen interessieren sie nicht besonders. Ihre ökonomischen Erkenntnisse sind jedoch von grösstem Wert. Diese Schule wird zumeist, von den wenigen die davon gehört haben, gerne als extremkapitalistisch, neoliberal, oder dergleichen bezeichnet, oder verschimpft, und so hat sie nicht wirklich Anerkennung in den Wirtschaftswissenschaften, obwohl aus ihren Reihen regelmässig grosse Denker kommen. Einige der wichtigsten Ideen oder Erkenntnisse wollen wir hier aufführen. Das Folgende ist eine ‘im Sinne übernommene’ Übersetzung von sieben dieser ökonomischen Gesetze, zusammen getragen von Anton Müller, der eine Liste mit zehn grundlegenden Gesetzen erstellte. Die ursprüngliche Liste findet sich hier.

  1. Produktion kommt vor Konsum. Diese Aussage klingt so selbstverständlich, dass man denken mag, es sei überflüssig, sie überhaupt aufzuführen. Aber es untermauert das Folgende.
  2. Kosum ist das Ziel der Produktion. Produktion ist das Mittel, und der Konsum, der den Bedarf des Marktes abdeckt, ist das Ziel. Das bedeutet nicht, dass der Konsum seiner selbst Willen das Ziel ist, sondern, dass er relativ zu der Produktion ein Ziel darstellt. Auch dies mag zuerst selbstversändlich klingen, aber es wird durchaus nicht so selbstverständlich hingenommen, wenn es nicht in solch einfachen Worten da steht. Denn für viele soziale Ideen der Geschichte war die Produktion, d.h. die Arbeit, das Ziel.
  3. Produktion hat Kosten. In anderen Worten hat jede produzierte Sache Kosten hinter sich, und das bedeutet, dass keine produzierte Sache ohne Kosten ist. In anderen Worten ist keine Sache gratis; Kosten müssen immer irgendwo getragen werden.
  4. Wert ist subjektiv. Jede Sache ist für jeden Konsumenten von anderem Wert. Dies bedeutet, dass Preise nicht effizient durch eine unbeteiligte, dritte Partei bestimmt werden können, da man nicht bestimmen kann, wie ein Konsument einen Wert einschätzen soll.
  5. Produktivität bestimmt den Lohn. Konkurrenz um geringere Kosten treibt die Löhne nach unten, gleichzeitig aber treibt die Konkurrenz um gute Arbeiter die Löhne nach oben, bis der Lohn die Produktivität ungefähr abdeckt, und sich das Ganze etwas einbalanciert. Dies jedenfalls, solange diese natürliche Bewegung nicht durch eine weitere, äussere Kraft beeinflusst wird.
  6. Geld ist nicht Wohlstand. Der Wert von Geld besteht aus seiner Kaufkraft. Wohlstand kann nicht vermehrt werden, indem man Geld vermehrt. Die Vermehrung von Geld verringert lediglich dessen Kaufkraft.
  7. Arbeit schafft nicht Wert. Arbeit mag Produkte schaffen, aber der Wert eines Produktes ist abhängig von seiner Nützlichkeit (wie auch seiner Seltenheit). Nützlichkeit wiederum hängt von der subjektiven Einschätzung eines individuellen Konsumenten ab. Der Wert eines Produktes existiert unabhängig vom Aufwand, um es zu erstellen.

Es gibt noch unzählige weitere Gesetze, welche hier aufgeführt werden könnten. Die Obigen sind jedoch für unsere Zwecke erstmals mehr als genügend.

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Nun zu der Frage, wie sich die Anthroposophie zum Wirtschaften verhält. Vielleicht ist es nicht berechtigt, zu sagen, die Anthroposophie verhalte sich in dieser oder jenen bestimmten Weise zu ökonomischen Fragen. Dennoch muss von etwas ausgegangen werden, wenn man wissen will, wie sich die Anthroposophie zu einer Sache verhält. Und so gehen wir hier vom ‘nationalökonomischen Kurs’ und vom ‘nationalökonomischen Seminar’ aus, wo Steiner seine Ideen für das Volkswirtschaften vorstellt. Hier sei angemerkt, dass mein Verständnis davon schlecht ist, und meine Repräsentation bestimmt äusserst lückenhaft. Ich habe Mühe, mich mit den Inhalten des Seminars zu verbinden.

Was ist die Haltung der Anthroposophie zu Wirtschaftsfragen? Wenn es um wirtschaftliches Denken geht, so findet sich in meinen Augen bei Steiner eine für ihn ungewöhnliche Haltung. Da wird nicht wirklich wertfrei untersucht, was die tieferen Bewegungen des Wirtschaftens ausmachen, sondern viel eher, wie sich diese verhalten sollten, genauer, wie sie sozial sein sollten. Jedes ökonomische Untersuchen hat in diesen Vorträgen bereits dieses unterschwellige Urteilen eingebaut, und es kommen dadurch überall diese kleinen Ungenauigkeiten hervor. Es ist durchaus etwas Unangenehmes, Steiner so zu kritisieren, wenn die entsprechende Arbeit so schlecht gekannt wird, wie es bei mir der Fall ist, aber man täte ihm bestimmt kaum einen Gefallen, offenbare, bessere Gedanken nur aus einem Respekt zurück zu halten.

Was wir da in diesen Vorträgen finden, sind Versuche, das Wirtschaften so zu gestalten, dass es der ‘Ökonomik’ in aristotelischem Sinne entspricht. Es ist also eine Art soziale ‘Hauswirtschaft’, welche jedoch auf viele Menschen, z.B. auf Städte, vielleicht auf ein ganzes Land, übertragen werden will. Das ist alles andere als ein einfaches Unterfangen, und deswegen muss mit grösster Vorsicht vorgegangen werden. Weil in diesen Vorträgen zur Nationalökonomie die Grundlage, die Grundannahme, wie wir sehen werden, keine gute ist, ist es sehr schwierig, dieses Buch mit einem wachen Bewusstsein zu lesen, weil sich da überall diese kleinen Ungenauigkeiten verstecken.

Eine zentrale Aussage wird da z.B. über den Preis gemacht, so sagt Steiner: ein richtiger Preis ist dann vorhanden, wenn jemand für ein Erzeugnis, das er verfertigt hat, so viel als Gegenwert bekommt, als dass er die Summe seiner notwendigen Bedürfnisse befriedigen kann, bis er wiederum ein gleiches Produkt verfertigt haben wird. Das sagt Steiner zum Preis. Liest man so etwas, drängt sich einem überall das Gefühl auf, dass da allerlei Unstimmigkeiten seien. Schaut man sich das genauer an, so kommen viele Fragen auf. So muss dazu als erstes gefragt werden: kann es das überhaupt geben, einen ‘richtigen’ Preis, wenn wir oben doch gesehen haben, wie der Preis, als der in einer bestimmten Menge ausgedrückte Wert, etwas Subjektives ist? Denn bei Punkt vier wird oben gesagt: ‘Wert ist subjektiv’.

Weiter wird bei Punkt sieben gesagt: ‘Arbeit schafft nicht Wert’. Warum also soll einem Menschen ein ‘richtiger Preis’ zustehen, wenn sein Erzeugnis zwar vielleicht für ihn von Wert ist, dies aber keinem anderen so vorkommt, und niemand dafür etwas tauschen möchte? Da haben wir als den Preis den die Käufer bereit wären zu zahlen, vielleicht ‘nichts’. Wie soll unser ‘jemand’ nun, dieser Definition gemäss, von nichts leben? Da haben wir einen jener kleinen Fehler in der Definition. Und wie soll das messbar sein, das Abdecken der Bedürfnisse, bis das nächste Produkt gefertigt ist? Da kann einer endlos viele Bedürfnisse zwischen den zwei Produkten haben, da kann einer sehr langsam arbeiten, da kann einer unnötig penibel arbeiten, da kann einer auf einmal sehr hohe Ausgaben für einen Notfall haben – soll sich das alles auf den Preis seines Produktes aufschlagen, anstatt dass man sich einfach nach den Bedürfnissen der Käufer richtet?

Hier wird durch die Ungenauigkeit unbewusst versucht, tausende Dinge zu definieren, die überhaupt nicht definiert werden müssen. Es führt zu einer theoretisch unendlichen Komplexität. Warum bildet man sich stattdessen nicht so einfache Begriffe, wie das die Libertären machen? Die versuchen, zuerst saubere Grunannahmen zu haben, bevor sie beginnen, Dinge zu definieren. Man findet unzählige solcher kleinen Fehler und Ungenauigkeiten, durch das ganze Buch hindurch, zumindest dort, wo klare Aussagen gemacht werden. Mit Hilfe obiger sieben Punkte wird man sich darin mit etwas mehr Sicherheit orientieren können, und viele von diesen Ungenauigkeiten auszumachen wissen. Aber hier sei nicht der Ort, um näher auf diese Dinge einzugehen.

Man kommt bei solchen Gedanken, wie in den nationalökonomischen Vorträgen vorgestellt, das Gefühl nicht los, dass da eigentlich versucht wird, nur andere Theorien zu widerlegen oder anzupassen. Wie z.B. jene tatsächlich fehlerhaften Theorien von Adam Smith und anderen Wirtschaftsdenkern jener Zeit. Und Steiners Denken geht da durchaus weiter, aber er ändert an den Grundannahmen nichts, und so ziehen sich viele alte Fehler mit. Da wird also versucht, sie mit den gleichen Mitteln zu widerlegen, die sie genutzt haben. Aber diese Mittel sind aus der Sicht der WA, des Dynamismus nämlich, selber schon die Falschen, wie wir in dieser Artikelserie sehen werden.

Es ist schwer zu sagen, wie eine echte Ökonomik aussehen sollte. Es stellt sich dann die Frage, ob eine solche Ökonomik für eine Nation, oder sonst etwas mit solcher Grösse, überhaupt angemessen ist, ganz unabhängig davon, ob es überhaupt möglich ist. Vielleicht muss man sich damit abfinden, dass nur die widernatürliche Chrematistik für eine grössere Gruppe an Menschen, die sich nicht kennen, aber miteinander interagieren, möglich ist. Dass also ein Wirtschaften mit allerlei Abstraktionen schlichtweg jene Notwendigkeit ist, die man lieber mit dem ‘Wirtschaften mit dem Notwendigen’ in der Ökonomik sehen würde.

So wäre es eher eine ‘Chrematonomie’, die man untersuchen sollte, als eine Ökonomie. Und wenn man die Chrematonomie erst mal etwas besser versteht, kann man schon dazu über gehen, zu versuchen, diese Chrematonomie zu ‘ökonomisieren’, also auf ein Notwendiges zu beschränken, und damit den Exzess, dieses Anreichern, daraus weg zu nehmen. Dies sollte jedoch geschehen, ohne dass den Menschen Schaden angetan wird, wie das bisher durch manche radikale soziale Ideen geschehen ist.

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