Das Wissbare wird für den Menschen immer so viel grösser sein als tatsächlich Gewusstes, dass tatsächlich Gewusstes neben Wissbarem nicht von Inexistenz unterschieden werden kann. Das ist die Grösse ‘unechter’, d.h. theoretisch erfassbarer Unendlichkeit.
Inhalt
Das Unendliche
Echte Unendlichkeit hingegen beginnt dort, wo das Erfassbare aufhört, und sich in etwas umwandelt, das sich zwar aus dem vorigen Zustand ableitet, aber nicht mehr neben diesen gestellt, und folglich auch nicht mit diesem verglichen werden kann. Z.B. ist jeder Raum für sich gesehen endlich, etwas anderes ist, wie im Artikel zu Unendlichkeit beschrieben, nicht möglich, solange man Raum hat. Kommt man jedoch an die Grenze von ‘Raum’, und geht, bildlich gesprochen, noch ein Stück weiter, so findet sich danach etwas, das den Begriff und das Wesen von Raum überwindet, und etwas ist, das höher kategorisiert werden muss. Man hat nicht mehr Raum, sondern ‘transzendenten Raum‘, etwas, für das wir keine Vorstellung und kein Wort haben. Für das Wissbare kann nun, anders als für die meisten anderen grösseren Prinzipien, jedoch gesagt werden, zu was es an dieser Grenze wird. Es wird zum ‘nicht mehr Erfassbaren’: es wird zu Aprosität. Man hat dann nicht mehr Wissbares.
Wenn sich nun für alles Wissen der Welt so viel Wissbares findet, dass ersteres neben dem anderen, selbst mit all unserem Vorstellungsvermögen, so klein ist, dass es nicht vom Nichts unterschieden werden könnte (um einem Perspektive zur Grösse von Unendlichkeit zu geben), so hat im Prinzip kein Wissen genügend Gültigkeit, um abschliessend als wahr bezeichnet werden zu können. Dies muss jedoch nicht notwendigerweise zu etwas wie ‘Relativismus’ führen, wo nichts mehr wahr sein kann, sondern man kann dann von einer Annäherung an das Wahre sprechen.
Das Einfachste
Gehen wir nun auf die andere Seite des Arguments um die Frage der Wissbarkeit, so gehen wir weg vom Unendlichen, und hin zum Einfachsten, dort hin, wo Platon durch Sokrates (oder umgekehrt) folgendes spricht.
“Sokrates: Aber das, mein trefflicher Kratylos, ist keine Verteidigung. Denn wenn der Namengeber gleich zu Anfang sich täuschte und das Weitere sodann diesem [falschen Namen des Dinges] seinen Irrtum willkürlich anpasste und gewaltsam zu innerer Übereinstimmung brachte, so ist es kein Wunder, wenn alles folgende, mag es auch noch so viel sein, [scheinbar] miteinander in Einklang steht, ganz ähnlich wie sich die geometrischen Beweise zuweilen auf der Grundlage eines kleinen, und leicht sich dem Auge entziehenden, Irrtums (in innerer Übereinstimmung) aufbauen.
Auf den Anfang jeder Sache muss also jedermann die gründlichste Erörterung und das meiste Nachdenken verwenden [!], um sich von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Grundlage zu überzeugen. Ist diese hinlänglich erforscht, so muss das Weitere sich als notwendige Folge davon darstellen.”
Platons Kratylos, oder über die Richtigkeit der Namen, 436 St.
Das ist die Annahme, die sich z.B. auch bei meinem Lehrer, Naturphilosophen und Grundlagenforscher Pierre Alizé findet, dass beim Einfachsten begonnen werden muss. Anders als ich nimmt Alizé seine Gedanken zwar eher von Aristoteles, aber er kommt auf dasselbe wie Platon und die Platoniker: zuerst muss man richtig gehen können, bevor man rennen kann. Immanuel Kant, und dessen Rationalismus, kommt trotz seiner immensen Wichtigkeit für die moderne Naturwissenschaft bei Alizé leider (noch?) nicht zum Zug, aber Alizé hat in sich die Begriffe, um nach und nach die richtigen Worte zu finden, um (zu beginnen) eine auch für Lebendiges funktionierend erklärende, gnostizistische (Gewissheit gebende) Grundmethode für die Naturwissenschaften zu bilden. Alizé muss Kant verstehen, um Kant überwinden zu können. Kants absichtlich komplizierte Sprache wirkt jedoch wie eine Immunisierungsstrategie, wodurch er sich z.T. durch eine Kompliziertheit der Sprache vor Widerlegung schützt. Von Alizé wird vermutlich noch Gewaltiges kommen, und wenn nicht, so wird er zumindest die Vorbereitungen für Gewaltiges geschaffen haben.
Der Ursprung des Lebendigen
Wir finden beim platonischen Sokrates das Argument, dass beim Einfachsten die grösste Gründlichkeit aufgewendet werden muss, weil man auch mit einer falschen Grundlage ein gewaltiges Luftschloss bauen kann, und dies, ohne dass man notwendigerweise die Falschheit bemerken muss (siehe Denkfehler X, ganz unten: “Im Vermeiden von Denkfehlern kommt man auf Wahrheit” -> “Wenn die Grundmethode darunter fehlerhaft ist, werden auch Ergebnisse mit gutem Denken noch falsche sein”). Am Beispiel der modernen Naturwissenschaft kann man sehen wie das möglich ist, denn überall wo z.B. etwas Lebendiges zu finden ist, ringt sie bei Anfangsgedanken um Erklärungen, und sie muss daran festhalten, dass man sich grosse Zeitabschnitte halt kaum vorstellen kann, worin scheinbar allerlei unplausible Entwicklungen möglich wären. Und in diesen Zeitabschnitten dann durch eine an Unendlichkeit grenzende Anzahl Versuche irgendwann einfachstes Leben entstand.
Das ist jedoch nur eine Erklärung dazu, warum man sich die Entstehung von Leben nicht vorstellen kann, es ist aber keine Erklärung über das Entstehen des Lebens. Denn drückt einer unendliche viele Äpfel aus, so mag er zu allen möglichen Apfelsaftarten kommen, Orangensaft wird er so jedoch nie machen können. ‘Unendlich viele Versuche’ erklärt nichts, weil es die Grundsubstanz überspringt, dieser eine erste Keim, der vorhanden sein muss, damit die unendlich vielen Versuche der Natur überhaupt etwas bewirken können. Es ist eine Entschuldigung für die Existenz des Lebens, wenn wir dieses Beispiel weiter gebrauchen wollen, keine Erklärung. Und das hat nichts mit Wissen zu tun, das geht in einen Glauben hinein. Man kann für einen solchen Glauben nun Gewissheit haben, oder man versucht dann, Modelle zu finden, die sich einer Erklärung mit den gegebenen Grundlagen dennoch annähern können, bis man mehr Gewissheit hat. Und so schafft man allerlei komplexe Modelle, die immer komplexer werden, und mit der rationalistisch-materialistischen Methode auf der Suche nach dem ‘Lebensteilchen’ immer weiter in die Tiefe, zu immer kleineren physischen Einheiten, gehen, bis man auf die Ergebnisse nur noch schliessen, sie aber nicht mehr direkt nachweisen kann. Und wenn man nun keine verständliche Überprüfbarkeit mehr hat, sondern Spezialisten sich der Sache annehmen müssen, so sind wir bei einer im Wissen abgeschotteten Gruppe, und dafür findet sich ein Wort, das diese Gruppe kaum schätzen wird, und das ist die sogenannte ‘Esoterik‘, wie Ludwik Fleck (auf Wikipedia) so treffend bemerkt. Diese Naturwissenschaftler, die Modelle verwenden die kein Mensch ausser ihnen noch nachvollziehen kann, sind im ursprünglichsten, definitionsgemässen Sinne des Wortes Esoteriker.
Die Scheinmethode
Aus der Sicht der WA ist die grundlegendste Methode der modernen Wissenschaft der ‘naturalistische, logistizistische Mathematizismus’. Die moderne Wissenschaft ist nicht empiritisch, sie ist logistizistisch (siehe sieben Visibilitätsstufen/sieben Philosophien). Sie glaubt, auf Experimenten zu basieren – geben Experimente jedoch Ergebnisse, die durch jene Grundmethode nicht erklärt werden können, so akzeptiert sie diese nicht, es wird von einem Fehler im Experiment ausgegangen, oder die Methode wird dem Ergebnis angepasst (“Ad-hoc-Näherungen”). Die Reputation eines Wissenschaftlers hängt mit seinen Studien zusammen, und so werden Studien gerne zurück behalten, wenn sie den bereits fehlerhaften Grundannahmen widersprechen.
Wissbarkeit bedingt also einer guten Grundlage, da das echte Wissen über jener keine Grenzen kennt, jedenfalls keine Erfassbare. Und so ist es auch für den durch falsche Grundlagen entstandene Irrtum angebracht, zu sagen, dass auch dieser, wie auch all dessen möglichen irrigen Cousins, keine erfassbaren Grenzen kennt.
Was Pierre Alizé macht, nämlich sich die längste Zeit über die einfachsten Dinge den Kopf zu zerbrechen, ist also ganz im Sinne einer guten, an echten Erkenntnissen, nicht nur Erklärungen, interessierten, Grundmethode. Und eine solche Methode wird in Sachen Wissbarkeit viel weiter führen, als eine Methode, die bereits in ihrem Innersten gewisse Kompromisse machen muss, die sich erst weiter oben oder aussen früher oder später als verheerend heraus stellen.