Das Unbeweisbare am Materialismus

Spiritualisten (Menschen, welche z.B. an geistige Naturwesen in allen Dingen glauben) und Pneumatisten (Menschen, welche an Gott oder Götter glauben) haben seit der Gnosis wiederholt versucht, einen Gottesbeweis zu erstellen. Dies ist jedoch stets ein Unterfangen gewesen, das etwas Unsinniges mit sich trug, nämlich deswegen, weil der einzige um das Argument abzuschliessende notwendige, ultimative Beweis Gottes der Materie nicht bewiesen werden kann. Wenn nämlich das Geistige dem Materialisten durch materialistische oder spiritualistische Methodik bewiesen werden könnte, wären Spiritualismus und Materialismus nicht nur keine WA-Oppositionen, sie wären nicht einmal unterschiedlich. Materialistische Methodik kann nur Materie (und nichts anderes, nicht einmal dem Materialismus Ähnliches) beweisen, und spiritualistische Methodik kann entsprechend nur Geist ‘beweisen’ (im Falle des Spiritualismus wäre es eher ein ‘Begründen’ oder ein ‘Erschliessen’).

Das ist eines der grossen Verständigungsprobleme der zwölf WA, dass nämlich die Methoden jeweiliger WA nur das Eigene wirklich aufzeigen können. Eine Methode, die alles berücksichtigt, ist keine Methode mehr, es ist ein lauwarmes Philosophieren, das weder ordentlich fragen noch sauber antworten kann.

Der Materialismus hat sich zurecht über die Gottesbeweise lustig gemacht, denn an ihnen war kaum etwas Beweisendes. Es waren diese Beweisversuche wenig mehr als die Reaktion auf eine zum Naturalismus strebende Menschheit. Sie entstanden durch einen universell aufkommenden Loslösung der Menschheit von etwas, das immer mit ihr verbunden war, die in vielen Menschen eine leise Ungewissheit aufkommen liess. Der Beweis wurde in den Augen der Pneumatisten nötig, gerade weil Gott sich auf einmal nicht mehr finden liess, gerade weil er eben nicht mehr im Fühlen eines jeden Menschen drinnen spürbar, selbstevident war. So musste Gott, der davor nie bewiesen werden musste, auf einmal bewiesen werden.

So berechtigt es auch gewesen sein mag, sich über die Gottesbeweise lustig zu machen, so wenig ist der Materialismus selber auf der sicheren Seite. Denn der Materialismus behauptet mit der wissenschaftlichen Alleingültigkeit von Materie etwas, das streng genommen dem Beweisen Gottes durch die dem Geistigen zugewandten WA entspricht. Was das genau das ist, das der Materialismus durch den Anspruch an Alleingültigkeit auch noch behaupten muss, soll im Folgenden kurz berührt werden.

Wenn der Materialismus jenem Denken, das von sich behauptet ohne die Beweiskraft der Materie ein Wissen erreichen zu können, jede Möglichkeit, ein gutes Wissen zu erreichen, abspricht, so behauptet der Materialismus unbeabsichtigt mindestens zwei weitere Dinge. Er behauptet erstens, dass das ‘Wissen’ in der Materie liege, nicht im Denken.

Denkt man einmal darüber nach, so wird man wohl finden, wie absurd eine solche Annahme ist, da das Wissen vom Menschen ausgeht, und mit diesem verknüpft ist. Versucht man Materie zu verstehen, so muss man denken. Ist das Denken nicht erlaubt, so kann auch kaum etwas verstanden werden, Experimente können weder erstellt noch interpretiert werden. Ist das Wissen in der Materie vergraben, bis es gefunden wird, so ist es ein okkultistisches Wissen. Das materialistische Argument der materialistischen Allgemeingültigkeit ist hier in einem ersten Widerspruch. So wird der Materialismus zwangsläufig sagen müssen, dass ein gewisses Denken zwar notwendig sei, dass aber zumindest das Wissen nicht alleine aus dem Denken entspringen dürfe: es müsse eine Grundlage in der Materie haben, um eine erste Gewissheit (einen ‘Gnostizismus‘) zu haben, auf der man andere Dinge aufbauen kann. Jedoch ist auch dieses Argument etwas, das auf einem Irrtum basiert, denn das Denken lässt sich nicht durch eine künstliche Grenzziehung zwischen der Gültigkeit der Materie und der schieren Endlosigkeit des Denkens bestimmen, und es wird vom Materialismus ohnehin nirgendwo eine solche Grenze zwischen Materie und Gedanken definiert (die gegenüber der Erfahrung des Gedankens Sinn macht). Jede erste Gewissheit wird durch ein Urteil des Denkens eine solche sein, nicht weil die Materie dies impliziert. Das Denken ist der Anfang und das Ende allen Wissens, Materie kann durch das Experiment etwas bestätigen oder hinterfragen, aber aus der Materie selber wird nie eine Grundlage kommen (weil die Materie selber nicht denken oder sonst in jeglichster Weise irgendwie bewusst sein oder bewusst wirken kann). Was will der Materialismus nun? Okkultismus (Verborgenheit) in den Tiefen der Materie vergraben, oder Gnostizismus (Gewissheit) als Grundlage? Oder vielleicht beides? Sie müssen sich nicht ausschliessen.

Kurz: der Materialist gebraucht mit seinem Denken eine nichtmaterialistische Methode, wobei dasselbe Denken aus den materialistischen Untersuchungen ausgeschlossen wird. Dadurch widerspricht die Methode in gewissem Sinne sich selbst.

Der Glaube an die Beweiskraft der Materie, anstatt an die ‘denkerische Interpretation der Beobachtung‘ der Materie (was die moderne materialistische Naturwissenschaft in Wirklichkeit ist), hat den Materialismus über die letzten Jahrhunderte für die stärker im Moment lebenden, weniger das Ganze betrachtenden Forscher, zu einer alternativlosen Richtschnur werden lassen, oder ist daran, zu einer solchen zu werden. Man kann wohl problemlos ersteres behaupten. Den Materialisten ist ihre eigene Methodik mehr und mehr so sehr eine Selbstverständlichkeit, dass der modernen Naturwissenschaft jeglichste andere, z.B. eine auf das Denken gerichtete Methode, wie all jene der grossen Idealisten, eine Absurdität sein muss. Sich heute schon nur gegen eine spekulative naturwissenschaftliche Annahme zu stellen, nimmt sich in ihren Augen aus wie ein chaotischer Ausbruch aus dem Anerkannten, heute nicht mehr kirchlich-religiösen, sondern naturalistisch-naturwissenschaftlichen Felde – als eine Irrlehre gegen das Gute, Etablierte.

Das ist also das erste Problem des Materialismus mit dem Denken, dass es für die Rolle die es einnimmt, denkende Menschen benötigt wenn an der Materie geforscht wird, weil die Materie selber nicht denken, sprechen, und sich folglich auch nicht erklären kann. Das zweite Problem nun ist die Natur des Denkens des Individuums selber. Es gibt keine materialistische Evidenz oder Grundlage für diesen Hauptoperator aller Naturwissenschaft. Die Ein- und Ausgabe von Information ist nicht Denken. Das Denken ist nicht der Prozess eines komplexeren Computers, es ist sehr viel mehr, besonders wenn es im Gleichgewicht mit dem Fühlen und dem Wollen ist. Die Eindrücke die man hat, sind nicht reine Informationsstücke, es sind Erlebnisse, und das Denken bildet sich um solche Erlebnisse herum. Jeder Mensch empfindet diese Dinge – manche in eher grober Weise, andere sehr feinfühlig – aber wie feingliedrig auch immer die Form sein mag, das Gefühl ist stets vorhanden, auch wenn es den Gedanken nicht steuern muss. Ohne das Vorhandensein des Gefühls hat das Denken keine Richtung – dies ist die wahre Richtschnur des Denkens. Manche Materialisten werden es vor allem als ein Gefühl von Skepsis kennen, es ändert dies nichts an der Tatsache, dass noch immer genau jenes gemeint ist. Dieses Erleben, die Wirklichkeit der parallel zum Denken vorhandenen Gefühle, und die Urteile die sich daraus bilden, kann man verleugnen und innerlich unterdrücken, aber sie existieren trotzdem, egal wie analytisch man sich geben mag. Wer dies abstreitet, macht sich selber etwas vor, oder hat den Satz nicht verstanden. Diese Komponente des Denkens ist nicht eine weitere Variabel in einem Computersystem, sondern eine Kategorie, welche sich von der reinen, ich sage mal ‘kalten’, Information in deutlicher Weise unterscheidet. Und es ist eine Komponente, die man aus dem Bilden von Urteilen nicht wegdenken kann, und das gibt ihr grosse Wichtigkeit – im Denken generell, aber auch in jeder Naturwissenschaft. Wer das Fühlen nun der Emotion gleichsetzt, die sich auch bei Tieren findet, und diese wiederum auf chemische Prozesse im Gehirn schliesst, macht künstliche Unterscheidungen, die den Feinheiten der, in jeder Situation wieder anders erlebbaren, Erlebnisse, nicht gerecht werden.

Das über den Informationskonsum hinaus gehende Denken kann der Materialismus aus der Materie heraus aus diesen Gründen nie beweisen.

Das allerletzte, was die Naturwissenschaft wohl sein möchte, ist, weltfremd zu sein. Wenn sie jedoch die Natur eines jeden Wissenschaftlers zurück stellt, um einem einseitig definierten Traum von Objektivität nachzukommen, ist sie menschenfremd. Und weil der Mensch ein Teil der Welt ist, ist die Naturwissenschaft dadurch dennoch indirekt weltfremd: sie sieht die Welt als eine Maschinerie mit viel Komplexität, die man in kleine Einzelteile zerlegen muss, um die Komplexität bewältigen zu können. Was ihr dann dadurch abgeht, ist die wahre Natur der Dinge, die keine Maschinerie darstellt, sondern etwas natürlich Belebtes. Es ist nicht das Reale, das die materialistische Naturwissenschaft dadurch untersucht, es ist eine tote, mechanische Version davon, und die Schlüsse daraus sind so falsch, wie sich die Natur von diesem mechanischen Bild unterscheidet. Dadurch kann man ihre Ergebnisse nicht wirklich als ein Wissen bezeichnen, sondern muss sie eher als Abglanz des Realen sehen, als etwas, das sein nützlichstes Mittel (das Denken seiner Forscher) beweisen müsste, das durch seine Methode solche Beweise jedoch von Grund auf nie erbringen kann, ohne sich selbst aufzugeben.

Die letzte Verteidigung des Materialisten werden die technologischen Ergebnisse der Gegenwart sein. Technologie ist jedoch ungleich der Natur, und erstere bedingt keiner Wahrheit über letztere. Wenn es um das Wissen geht, so hält obiges Argument, wenn es um Technologie geht, so braucht man sich von vornherein keine grösseren Fragen zu stellen, weil dort scheinbar ohnehin nur die Selbstevidenz der Prozesse zu zählen scheint, und nicht die Selbstständigkeit des Denkens.

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