Hier finden sich immer gerne Äusserungen gegen den Rationalismus, da der Rationalismus in der Gegenwart etwas übertrieben wird. Es wird damit einer allgemeinen Denkgewohnheit entgegengesteuert. Heute ist das gelehrte Denken häufig rationalistisch, deswegen wird im Schnitt damit übertrieben, und deswegen wird hier dagegen angegangen.
Inhalt
Irrationalismus
Es sollte die tatsächlich wirre Aussage eines Menschen nicht verworfen werden, weil sie wirr ist, stattdessen sollte ein grösserer Aufwand betrieben werden, drinnen das möglicherweise Wahre zu suchen – anstatt bei der schlechten Form, der Wirrheit, stehen zu bleiben. Zweitens sind Aussagen manchmal durchaus logisch (nicht-wirr), aber dennoch falsch. Auch hier kann versucht werden, etwas Nützliches herauszunehmen, denn aus mancher (oder vielleicht jeder) Falschheit lässt sich Wahrheit schliessen. Drittens haben manche Sätze den Anschein von Wirrheit, sind aber nicht wirr sondern komplex, und das Wirre liegt allein im Unverstehen. Die scheinbar irrationale Form eines Satzes oder eines Schlusses sollte nicht von der Möglichkeit (oder guten Wahrscheinlichkeit) von Wahrheit ablenken.
Mancher Tor macht Sätze, die zu wochenlangem Grübeln anregen. Das hat vielleicht einen Grund, denn der einfachste wie der höchste Mensch scheinen eine bedeutende Gemeinsamkeit zu haben: sie sind beide einfach. Diese Gemeinsamkeit meine ich zumindest in manchen Schriften zu finden, wo die grössten Lehrer manchmal die offensichtlichsten Dinge lehren, und alle Kompliziertheit wegwerfen. Sie nutzen Klischees, aber durch den Moment und den Praxisbezug verlieren sie das Klischeehafte, und werden zu tiefen Wahrheiten. Und manchmal werden von den gleichen grossen Lehrern unsinnige Dinge gelehrt, nur um den Geist der Schüler zu provozieren. Und drittens werden von ihnen manchmal transzendente Ideen gelehrt, für die es keine Worte gibt, die ohne ein inniges, tiefes Studium wirr scheinen. Ersteres fand ich speziell z.B. beim japanischen Buddhisten Ikkyu Sojun 1 und manchen vorchristlichen Buddhisten Kontinentalasiens. Auch bei Jesus finden sich Einfachheiten, wenn er z.B. den Rabbinern zeigt, wie manche ihrer komplizierten Ideen und Traditionen dem gesunden Menschenverstand (wie auch den Texten des alten Testaments) widersprechen 2 Die sogenannte Tempelreinigung, in der Händler und Wechsler aus einem Gotteshaus geschickt werden, gehört auch in diese Sparte. Die Ungarin Maria Szepes 3 beschrieb in ihrem Werk “Der rote Löwe” 4 zum letzten Drittel hin etwas in diese Richtung. Manche meinen weiter, das ‘Ich’ eines hohen Menschen zeichne sich durch eine einfache Klarheit aus. Das sind die hohen Menschen, die den Einfachsten gleichen – auf der anderen Seite finden sich auch umgekehrte Beispiele, wie jene der russischen Literatur, in der vom Toren nicht mit Sicherheit gewusst werden kann, ob er nicht vielleicht weiser ist als alle anderen. Der Einfache und der Eingeweihte haben also manche Ähnlichkeit.
Mysteriendramen
In den Mysteriendramen Rudolf Steiners findet sich eine Zwölfheit an Charakteren, die über Inkarnationen (Wiedergeburten) hinweg ihren Auftritt haben. Im einen Mysteriendrama sind sie Bauern 5, dann sind sie Bürger 6. Und da von Steiner gewusst wird, dass er die Dramen nicht abschliessen konnte, und dass er womöglich nur ein Drittel (d.h. 4 von 12) fertigstellen konnte, kann man annehmen, dass die Zwölfheit durch weitere Inkarnationen hindurch in späteren Werken vorgekommen wäre. Und da Steiners Beschäftigung mit den dutzend Weltanschauungen der Beschäftigung mit den Mysteriendramen zeitlich nahe stand, kann vermutet werden, dass die Zwölfheit die dutzend Weltanschauungen repräsentieren. Bei den zwölf Bauern sind Weltanschauungen praktisch unmöglich auszumachen, es zeigen sich aber grobe, undeutliche Formen der drei Seelentöne. Als sie dann als Bürger wiedergeboren werden, wird mehr vom Wesen ihrer Natur erkennbar, denn sie haben einen Entwicklungsschritt gemacht; aber bei weitem noch nicht genug, um als Leser Gewissheit in der Weltanschauungszuordnung haben zu können. Was man an den zwölf Bürgern jedoch sehen kann, sind einfache Typen der sieben Visibilitätsstufen, die Art also, wie gedacht wird (anders als bei den dutzend Weltanschauungen, wo der Inhalt der Gedanken, auf den die Aufmerksamkeit gerichtet ist und damit die Richtung vorgibt). Bei den dutzend Weltanschauungen manifestieren sich die Gedanken relativ zu den anderen Kategorien des Weltanschauungsprinzips (WAP) am deutlichsten, und der Mensch, der am tiefsten in den Weltanschauungen steht, hat so wohl auch das komplizierteste Ich.
Aus der Gedankenfolge ergibt sich ein Schema wie unten (ohne Garantie auf Richtigkeit). Vielleicht wäre der Wissenschaftler die nächste Stufe in einem späteren Drama gewesen, in dem die Weltanschauungen eine klare Form finden? Und es hätte über spätere Dramen weitere Entwicklungsschritte geben können, mit ausgeformten Visibilitätsstufen, und ausgeformten Seelentönen etwa. Im vierten Drama findet sich zwar eine dritte Inkarnation für manche der Zwölf, aber als eine Zwölfheit treten sie dort nicht auf.

Weltanschauungszuordnung
Dem einfachen Menschen kann vielleicht diese oder jene Weltanschauung zugeordnet werden; wenn diese aber nie den Weg in die Sprache findet, und sich auch nicht sonstwie ausdrücken kann, macht das Zuordnen von Weltanschauungen wenig Sinn. Der Mensch muss sich deutlich von seiner Umwelt abgrenzen können, damit Weltanschauungen im jeweiligen Menschen eine identifizierbare Form erhalten.
Referenzen, Anmerkungen
- Ikkyu Sojun (*1394, †1481), https://de.wikipedia.org/wiki/Ikky%C5%AB_S%C5%8Djun ↩
- siehe z.B. Tempelsteuer; Argument um den Sabbath und dergleichen. ↩
- https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A1ria_Szepes ↩
- https://de.wikipedia.org/wiki/Stein_der_Weisen ↩
- https://anthrowiki.at/Sechs_Bauern_und_sechs_B%C3%A4uerinnen ↩
- https://anthrowiki.at/Zw%C3%B6lf_B%C3%BCrgerinnen_und_B%C3%BCrger ↩
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