3.5.1.1-11 Axiologische Fragen

Dieser Artikel wird veröffentlicht und dann weiter ausgebaut.

Ein Artikel dazu, wie axiologisch, axiomatisch und axionomisch für das Weltanschauungsprinzip (WAP) unterschieden werden.

In “3.5.1.1-10 Axiomatische Fragen” wurde über axiomatische Fragen nachgedacht, d.h. die Frage drehte sich um das praktische Problem des ‘Anfangs’, mit dem Ziel einer Weltanschauungsaxiomatik (WAM). Beginnen wir etwa beim Bereich um den Idealismus, und überlegen uns, welche Gültigkeit Sinneswahrnehmungen überhaupt haben können, wenn alles durch unser Bewusstsein, unseren Verstand, unsere Sinnlichkeit verarbeitet wird, und bevorzugen wir diese Idee, während wir aber die äussere Welt infrage stellen, wie es im späten Mittelalter beliebt war? Oder beginnen wir, wie es heute beliebt ist, bei den Messungen der äusseren Welt, bei den Phänomenen und deren weltanschaulichen Nachbarn, und klammern den Menschen eher aus, als dass wir seinen Geist studieren? Beide Vorgehensweisen scheinen das Eine auf Kosten des Anderen zu bevorzugen.

Die ‘Das Grundaxiom’ liefernde Weltanschauung?

Pneumatismus

Ist es nun wirklich so, dass keine Weltanschauung dazu fähig sein kann, ein Axiom für alle dutzend Weltanschauungen zu liefern? Sind einzelne Weltanschauungen zu sehr auf ihre eigenen Gebiete fokussiert, um etwas Universelles bieten zu können? Die Weltanschauungsaxiologie, die ‘Wertlehre’ im WAP, fordert, dass es eine Weltanschauung gibt, die mindestens ein axiologisches Fundament bieten kann (wenn auch nicht ein axiomatisches oder ein axionomisches). Die Polaritätsprinzipien des WAP besagen, dass es eine solche Weltanschauung gibt. Ein axiologisches Fundament besagt, was das Gute ist.

Weltanschauungen mögen ihre jeweils bevorzugten Themen haben, aber diese Logik geht in beide Richtungen. Denn wenn die dutzend Weltanschauungen allen möglichen geistigen Aufwand des Menschen abdecken sollen (und wir nehmen an, dass dies der Fall ist) dann muss eine der Weltanschauungen am besten für die universelle Axiomaufgabe geeignet sein, während eine andere (wohl die Polarität zu der einen) am schlechtesten dazu geeignet sein muss. Und so kommen wir erstens zum Pneumatismus.

Der Pneumatismus beschäftigt sich intensiv mit Fragen rund um Gott und Göttliches, und die Produkte aus dem Pneumatismus, wie die ‘Summa Contra Gentiles’ des Thomas von Aquin, aber auch sonst unzählige Werke aller möglichen Theologen (selbst ideologisch veranlagten Kirchenmännern), sind häufig von erstaunlicher Tiefe und beeindruckend gutem Denken – speziell wenn man bedenkt, dass die pneumatistischen Inhalte, jedenfalls im Vergleich zu den heute beliebten materiewissenschaftlichen Beweisen, allesamt auf einem wackeligen Unterbau stehen (pneumatistische Ideen lassen sich nicht beweisen, nur nachvollziehen).

Dem Pneumatismus fällt es leichter als anderen Weltanschauungen, transzendente Ideen zu formulieren (seine grössten Werke entstehen jedoch, als Folge seiner inneren Eigenschaften, aus dem Gnostizismus, nicht dem Transzendentalismus). Viele der gemeinhin ‘Theologen’ genannten Denker gehen durch eine sehr anspruchsvolle Ausbildung, und erlernen im Studium der Bibel sowohl Altgriechisch wie auch Lateinisch (manche gar Hebräisch für das alte Testament). Dies öffnet den Theologen Tür und Tor für Philosophie generell, da die Hochblüte der Philosophie – neben dem deutschen Idealismus – im antiken Griechenland geschah, und sich weit in die daran anschliessende latinische Zeit zog. Aber auch umgekehrt hatte das Neue Testament eine grosse Wirkung auf die noch übrigen geistigen Kräfte des damaligen Griechenlands, kurz nach der Zeit Christi. Durch die Umstände werden Theologen im Folgenden bis heute darin begünstigt, die ohnehin schon transzendentalistische Idee der Schöpfung in der Genesis mit den ruhigen und doch lebendigen Augen der Philosophen betrachten und durchdenken zu können.

Idealismus

Ein anderer Anfang ist gleichfalls positivistisch, aber von ganz anderer Art. Versuchen wir ein idealistisches Axiom, so finden sich dabei mehrere Vorteile zu anderen Weltanschauungen: erstens ist jedes ‘Prinzip’ automatisch idealistisch, was jede Beschäftigung mit dem Weltanschauungsprinzip zum Idealismus drückt. So findet sich von Anfang an eine viel eher passende Methode zum Studium des Weltanschauungsprinzips, wenn dafür bewusst der Idealismus verwendet wird. Zweitens kann von einer (präsentierenden) Seite noch so gut argumentiert werden – wenn die andere (konsumierende) Seite nicht versteht, warum die Argumente und das Denken dahinter ‘gut’ sind, und warum andere Argumente es nicht sind, und was zwischen den beiden den Unterschied ausmacht, dann können die Argumente und Gedanken nicht nur nicht überprüft werden, sie werden überhaupt keine Entwicklung erfahren – und lange Zeit wie ein Museumsstück stehen gelassen (wie es z.B. bei der zum Spiritualismus tendierenden Anthroposophie der Fall ist, da der Aufwand hinter den Gedanken Rudolf Steiners schwer nachzuvollziehen ist, und das meiste viel einfacher zu erarbeiten scheint, als es tatsächlich war). Der Idealismus ist gut darin, zu zeigen, wie ein gutes Argument entsteht, welche Bedingungen dafür erfüllt werden müssen, wie sich unscheinbare Ungenauigkeiten identifizieren lassen, usw. Und drittens kann der Idealismus auf einen gewaltigen Reichtum schriftlicher Materialien, über mehr als 2’500 Jahre, zurückgreifen, von Platon bis Hegel.

Fallen sind im Idealismus allerdings auch vorhanden. So ist der Idealismus z.B. gerne dazu bereit, ethische Fragen zu untersuchen, wobei seine Resultate hierbei aber überraschend oft ins Absurde gehen. Die Ethik ist, in der Sprache des WAP, eine bedeutende “Syntheseschaft“, das heisst, sie benötigt mindestens zwei Weltanschauungen gleichzeitig (etwa Idealismus und Realismus), um bedeutende und wahre Aussagen machen zu können – so reicht der Idealismus alleine nicht bis zur Ethik hin. Und gerade in der Axiologie, wo die Frage um das Gute zentral ist, ist dies eine bedeutende Schwäche, sofern der Idealismus die eigenen Grenzen nicht wahrhaben will. Während der Idealismus also gut darin ist, gutes Denken zu analysieren, ist er weniger gut, oder gar schlecht, darin, das Reale in seiner eigentlichen Erscheinung aufzunehmen. Der Idealismus hat in seiner Nachbarschaft zum Rationalismus schnell einmal das (über-)bewusste Denken in einer störenden Art zwischen sich und der Welt (Kant nannte dies bei unangemessen rationalistischem Denken das “Verständeln”).

Das Problem der notwendigen Weltanschauungssynthese zieht im Falle der Ethik weitere Probleme nach sich. Denn wenn eine zweite Weltanschauung benötigt wird, benötigen wir dann eine synthetische Weltanschauungsaxiologie – d.h. ein synthetisches Axiom? Ist es eine gute Idee, beim allerersten Anfang (Kosmogonie: Entstehung des Kosmos) bereits zwei polar zueinander stehende Weltanschauungen verschmelzen zu lassen? Und laden wir nicht sogleich eine unnötig grosse Komplexität in die Axiomformung ein, wenn zwei Weltanschauungen, mit all deren polaren Vor- und Nachteilen und grundlegender Inkompatibilität, einen ersten Satz bilden sollen? Und wie soll ein sythetischer erster Satz überhaupt aussehen – ist ein solcher nicht an sich transzendent (d.h. ein Umsetzbares überwindend)? Den Realismus in die idealistische Weltanschauungsaxiologie einzuladen, mag zwar etwas lösen, scheint dabei aber mehr neue Schwierigkeiten mit sich zu bringen.

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