3.5.1.3-10 Ausmass der Komplexität

Dieser Artikel versucht auszumessen, ob mit dem Weltanschauungsprinzip ein Schematismus am einzelnen Menschen möglich sein könnte (‘nein’).

24 Kategorien

Rudolf Steiner spricht von 23 Weltanschauungen: 12 eigentlichen Weltanschauungen, 7 Visibilitätsstufen, 3 Seelentönen und 1 Anthropomorphismus. 7+3=10, +1=11, +12=23. Die Gesamtheit dieser Teile ist aber mehr als nur deren Summe. Und so zählen wir noch einmal +1 dazu, für das “Weltanschauungsprinzip” (WAP), die grosse Überkategorie. Damit sind wir bei 24 Kategorien (wobei eine davon, WAP, nun kategorisch auf einer anderen Ebene liegt als alle anderen). Und wenn wir die vier Hauptkategorien (Weltanschauungen, Visibilitätsstufen, Seelentöne, Anthropomorphismus) dazuzählen, die – abgesehen vom Anthropomorphismus – jeweils auch wieder mehr als die Summe ihrer Teile sind, so sind wir bei 27 (oder 28) Kategorien. Die Eigenschaften der vier Hauptkategorien fassen wir jedoch unter die Überkategorie Weltanschauungsprinzip und verbleiben damit bei 24 Kategorien, die zu studieren sind. Als Übersicht sieht dies wie folgt aus:

Kombinationen

Meine Hypothese ist, dass die Beschäftigung mit den einzelnen 12 eigentlichen Weltanschauungen so viel Arbeit beansprucht, wie alles andere Einzelne unter dem WAP (d.h. die anderen 11) zusammengenommen. Sind die einzelnen Teile des WAP einmal studiert, beginnt eine viel kompliziertere Arbeit, nämlich die Kombinationen der vier Hauptkategorien (12*7*3*1=252 Kombinationen, wobei der Anthropomorphismus stufenlos, von ‘fast nicht vorhanden’ bis ‘sehr stark vorhanden’, sein kann). Rein mathematisch betrachtet gibt uns nur schon die Stufenlosigkeit des Anthropomorphismus unendlich viele mögliche Kategorien, weil die Stufen in der Stufenlosigkeit unendlich fein abgestuft werden können, bis sie nicht mehr als Stufen wahrnehmbar sind.

Primäre und sekundäre Weltanschauung (hypothetisch)

Die Komplexität hört hier aber nicht auf. Denn es scheint in der Praxis bei einzelnen Menschen oftmals mehr als eine einzelne Kombination zu geben. Bei Kant z.B. scheint mir die primäre Kombination “transzendentalistischer Rationalismus” zu sein, und die sekundäre Kombination ein “empiristischer Sensualismus”, wobei die sekundäre weniger tatsächlich vertreten wird, als dass sie die Aufgabe hat, die primäre zu untermauern (bei Kant z.B.: der Verstand denkt und die Sinnlichkeit nimmt das Äussere wahr, dadurch ergänzen sich die beiden und Erkenntnis wird möglich). Die Seelentöne lasse ich bei Kant weg, da ich mir bei Kant um diese nicht sicher bin. Diese weitere Kombination multipliziert nun aber nicht einfach die 252 Kombinationen um x2, nur weil nun zwei solche Kombinationen gleichzeitig in einem Menschen vorhanden sein können. Die verbleibenden möglichen Kombinationen für die sekundäre betragen 11*6*3 (der Seelenton kann derselbe bleiben, aber Weltanschauung WA und Visibilitätsstufe VS müssen andere sein, als bei der primären Kombination, folglich 12->11 und 7->6). Es multipliziert nicht einfach nur mit etwas weniger als x2, weil es nicht eine einzige primäre der 252 Kombinationen ist, die mit einer der anderen sekundären, unter nur noch 11*6*3=198 Kombinationen, einhergehen kann, sondern jede der primären 252 mit jeder der sekundär verbleibenden, noch möglichen 198. D.h. die möglichen Kombinationen sind im Falle von zwei gleichzeitigen Kombinationen 252*198=49’896.

Ob es bei zwei gleichzeitig möglichen Kombinationen aufhört, oder ob es drei oder vier gleichzeitig auftreten können, weiss ich aber nicht.

Weltanschauungsreise

Die Komplexität hört aber noch immer nicht auf. Denn wer nun denkt, dass mit dem Schematisieren des Obigen irgendwas erreicht würde, sollte es denn überhaupt möglich sein, der wird wohl annehmen, dass nun die Bücher eines grossen Denkers studiert werden können, und die Kombinationen liessen sich zumindest theoretisch erschliessen. Hier kommt aber etwas Weiteres hinzu, nämlich die ‘Weltanschauungsreise’ eines jeden genügend alt werdenden Menschen. Rudolf Steiner zeigte eine solche Reise am Beispiel des Friedrich Nietzsche, der über die Jahrzehnte seines Lebens vom ‘mystizistischen Idealismus’, zum ’empirizistischen Rationalismus’, zum ‘voluntaristischen Dynamismus’ gereist ist. Das heisst, es muss nun auch identifiziert werden, in welchem Lebensabschnitt genau ein Werk geschrieben wurde, und ob die Veröffentlichung mit dem Zeitabschnitt, als es geschrieben wurde, übereinstimmt (siehe z.B. Nietzsches Schrift gegen Wagner, mit dem Titel “Der Fall Wagner”, deren Inhalt nach Steiner offenbar während oder um die Zeit der früheren, lobenden Werke über Wagner geschrieben wurde). Daraus folgt, dass eine treffende Zuweisung an die Kombinationen eine intensive, einfühlsame Biographiearbeit erfordert, wodurch auch entsprechend Belege und Schriften vorhanden sein müssen.

So finden sich bei einem älter gewordenen Menschen drei weitere Kombinationen, weil diese Reisen durch drei Kombinationen gemacht werden. Für die folgende Überlegung lasse ich die Seelentöne heraus, da ich nicht weiss, nach welchen Regeln sich die DST auf der Weltanschauungsreise in einem einzelnen Leben ändern. Wenn die erste WA-VS-Kombination im Leben eines einzelnen Menschen eins in 12*7=84 beträgt, dann schliessen sich eine WA und eine VS für die darauf folgende Kombination aus, also eins in 11*6=66, und für die dritte eins in 10*5=50. So haben wir 84*66*50 mögliche Kombinationen, also 277’200 Möglichkeiten, und dabei werden die Seelentöne, unendliche Anthropomorphismusabstufungen und gleichzeitig auftretende Kombinationen weggelassen.

Der äussere Einfluss

Weiter besteht die Möglichkeit, dass Menschen durch die Umstände, die um sie herum vorherrschen, nicht die Werkzeuge finden, ihre eigentliche Weltanschauungskombination, oder nur schon Weltanschauung, zu finden und auszubauen. Selbst wenn also alle obigen Kombinationen überschaut werden könnten, kann es sein, dass der Mensch nur äussere Eindrücke kopiert, und die eigene Weltanschauung gar nicht umzusetzen vermag. So kann ein Mensch zwar eine bestimmte Kombination in sich tragen, aber diese Kombination ist ihm womöglich versteckt.

Daraus schliessen wir…

… dass es keinen Sinn hat, vom Schema der Weltanschauungen ausgehend den einzelnen Menschen anzuschauen. Die Komplexität der Möglichkeiten des Schemas des Weltanschauungsprinzips ist in der Praxis viel zu gewaltig, um von diesem aus für den einzelnen zuverlässig wahre Schlüsse ziehen zu können. Was ist dann aber der Nutzen des Schemas?

Der Nutzen des Weltanschauungsprinzips ist, trotz all der Komplexität des Realen alles Beobachtete ordnen zu können. Daraus werden sich unter den Menschen mit der Zeit Tendenzen zeigen, die häufiger sind als andere, und vielleicht lässt sich von da aus ideell auf den einzelnen schliessen, sofern dies überhaupt das Ziel ist.

Das Weltanschauungsprinzip hat einen realistischen Zweck. Es ist über einem da, es ist eine Struktur, auf die immer zurückgegriffen werden kann, um die Gedankengänge bestimmter Denker besser erschliessen zu können. Es gruppiert Persönlichkeiten in sinnvoller Weise, und es lässt dadurch ein fokussiertes Studium bestimmter Weltanschauungsrichtungen zu. Es dient durch seine mögliche Komplexität jedoch nicht als Ausgangslage, um das Reale ordnen zu können.

Das Reale muss bei der praktischen Anwendung des Weltanschauungsprinzips die Ausgangslage sein, und so ist es das Reale, das sich in der Folge in das Schema – das Ideale – einfügen lässt.

Nicht aber umgekehrt das Ideale in das Reale, weil dann unzählige Ausnahmen auswendig gelernt werden müssten.

@12weltanschauungen

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